Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
Haus. Es war sein erstes Weihnachtsfest als Ehemann, es mußte also etwas Besonderes werden, dieser Heilige Abend in der eigenen, noch kleinen Familie.
Noch ahnte keiner, was das bedeutete. Auch Sophie sagte nichts, als Kochlowsky verkündete: »Die Weihnachtsgans besorge ich, mein Kleines.« Sie nickte nur, denn sie gab Wanda gerade die Brust und überlegte dabei, wie sie die Gans füllen sollte. Auf Elsässer Art mit Hackfleisch und dazu Sauerkraut, auf Mecklenburger Art mit Äpfeln, Korinthen und Rosinen und dazu Rotkohl, oder eine Gans ›Louisville‹, die man am Hof von Bückeburg bevorzugte, etwas ganz Köstliches mit Maronen und einer Preißelbeersoße. Und Silvester sollte es einen polnischen Karpfen geben, wie beim Fürsten von Pleß, mit einer Soße aus dem Sud von Malzbier, Karpfenblut, zerbröckeltem Pfefferkuchen und Schalotten. Als Wanda Lubkenski zum erstenmal diesen Karpfen so zubereitet hatte, hatte ihr der Fürst eine rote Rose aus seiner Tischdekoration geschenkt. Wanda bewahrte sie, verdorrt und zusammengeschrumpelt, in einem Karton auf, wie eine Reliquie. Wer bekommt schon als Köchin von einem Fürsten eine rote Rose?
Kochlowsky erkundigte sich auf der Ziegelei, wo man hier die besten Gänse kaufen könne, und erfuhr, daß es zwei gute Mastbetriebe gäbe: das gräfliche Gut hinter dem Schloß Douglas und die Försterei des Grafen. Dort aber brauche er nicht zu fragen, der Förster Ferdinand Rechmann sei ein hochnäsiger Mensch, und seine Frau, die rothaarige Blandine, die Französin – oje! Für die sei ein Bediensteter des Grafen sowieso nur Luft.
Das Amen in der Kirche war nicht so sicher wie Kochlowskys Entschluß, nun gerade zu Förster Rechmann zu gehen und dort nach einer vorzüglichen Mastgans zu fragen. Er spannte seinen aus Holz gebauten, tiefen Kastenschlitten mit den stählernen Kufen an, hüllte eine Hundefelldecke um seinen Pelzmantel und ließ den kräftigen braunen Wallach durch den aufstiebenden Schnee traben.
Das Forsthaus lag romantisch, aber ziemlich einsam mitten im Wald und war nur durch einen Fahrweg mit der Außenwelt verbunden, ein Forsthaus wie im Märchen, mit qualmendem Schornstein, heruntergezogenem Dach, aufgeschichteten Holzkloben an der Außenwand, grünlackierten Fensterläden und einem Backhaus, dazu Stallungen und Scheunen.
Kochlowsky hielt vor dem Eingang, schälte sich aus der Hundefelldecke und betätigte den Klopfer an der Haustür. Eine Hausmagd öffnete, erkannte den berüchtigten Herrn Verwalter der Ziegelei, bekam sofort einen roten Kopf und machte einen artigen Knicks.
»Ist jemand zu Hause?« bellte Kochlowsky und warf einen Blick auf den strammen Busen der Magd. Waren das noch Zeiten, damals in Pleß, dachte er sofort. Da sah man nicht einfach über so etwas Schönes hinweg. Er fuhr sich mit der Zunge schnell über die Lippen und betrat, sich an der Magd vorbeidrückend, die Diele des Forsthauses. Das Mädchen schloß schnell die Tür, der Schnee wehte sonst ins Haus.
»Nur die gnädige Frau, Herr Verwalter«, stotterte die Magd.
»Das genügt.«
Er blickte sich um, sah vier Türen von der Diele abgehen, fragte erst gar nicht, wohin er sich wenden sollte oder ob man angemeldet werden müsse, sondern entschied sich für die zweite Tür von links. Noch bevor die Magd etwas sagen konnte, riß er die Tür auf und trat ins Zimmer. Verblüfft blieb er, wie zurückgestoßen, stehen, denn wer erwartet in einem Forsthaus mitten im Wald ein vollkommenes französisches Boudoir, erfüllt mit Parfümduft, zierlichen weißen Möbeln, Tüllvorhängen und einem weißen, flauschigen Teppich. Vor einem großen Spiegel in einem schweren goldenen Rahmen saß auf einem seidenbezogenen Hocker Blandine Rechmann und kämmte ihr offenes feuerrotes Haar. Es war ein Anblick, bei dem einem schon der Atem stocken konnte.
»O Pardon –«, sagte Kochlowsky formvollendet. »Aber Ihr Mädchen ist von einer solch blöden Langsamkeit, daß ich handeln mußte. Ich hasse Warten.«
»Man sieht's!« Blandine Rechmann war weit davon entfernt, betroffen oder gar beleidigt zu sein. Sie kämmte sich weiter, Strähne um Strähne des roten Haares glättete sie und betrachtete dabei Kochlowsky durch den großen Spiegel. »Sie sind doch Leo Kochlowsky, nicht wahr?«
»Ja …«
»Der berüchtigte …«
Kochlowsky zog das Kinn an. Auch schöne Frauen konnten bei ihm an die Grenze der Duldsamkeit stoßen. »Wieso?« fragte er knapp.
»Wer bei der Tauffeier lebende Bilder mit Nackten
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