Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
überfressen.«
Aus dem Mund eines Kochlowskys gab es kein größeres Lob.
Später zündeten sie dann die Kerzen am Christbaum an und sangen gemeinsam die alten Weihnachtslieder … Leo mit tiefem, dröhnendem Baß, Sophie mit einer hellen, zarten, aber tragenden Sopranstimme. Es klang bühnenreif, und wenn sie Zuhörer gehabt hätten, der Beifall wäre frenetisch gewesen.
Das Auspacken der Geschenke beschloß den Abend. Die Fürstin Pleß hatte ein Paket mit schlesischer Wurst, Knochenschinken und Würzgebäck geschickt. Von Wanda und Jakob Reichert war ein Christstollen gekommen, vier Pfund schwer, ein Mordsstück, voll von Rosinen, Zitronat, Mandeln und einer Marzipanfüllung. Ewald Wuttke, der Leibjäger, mußte im fürstlichen Vorrat geklaut haben, er schickte ein Riesenstück geräucherter Wildschweinlende. Von Louis Landauer war ein Bild gekommen – was sonst? –, aber es war ein besonderes Gemälde in Ölkreide: Sophie und Wanda bei der Taufe. Selbst Kochlowsky bekam bei diesem Anblick nasse Augen, aber er sagte dazu knurrend: »Mein Kind sieht wie ein Affe darauf aus! Wir werfen dieses Mistding auf den Boden, morgen schon!« Aber nach Weihnachten hing es bereits im Schlafzimmer über der Wickelkommode.
Eugen Kochlowsky schickte eine Ode von neunzehn Strophen und ein Vorausexemplar seines neues Heimatromans ›Der goldene Tannenzapfen‹. Fünftausend Bücher waren bereits vorbestellt, und Eugen schrieb dazu: »Mein Verleger umarmt mich jetzt sogar, wenn er mich sieht. Vor zwei Jahren hat er mich aus seinem Büro hinausgeworfen. Aber er bekommt es zu spüren. Wenn er mich auf die Wange geküßt hat, wische ich mir das Gesicht mit einem großen Tuch ab und besprühe mich mit Parfüm. Französisches! Sündhaft teuer, aber das bin ich mir als gefeierter Autor schuldig …«
Das schönste Geschenk aber kam aus Bückeburg. »Mein liebes Nichtchen«, schrieb die Fürstin, »Gott möge dich und dein Kind behüten …« An Leo Kochlowsky kein Wort. Für Wanda aber gab es eine großes Paket mit Kleidchen und Mäntelchen, mit Pelz besetzt, ein Pelzmützchen und Fellhandschuhe. Im nächsten Winter würde ihr alles passen. In einem Ledersäckchen aber klimperten fünfzig Goldmark. Sophie schüttete den kleinen Reichtum auf den Tisch, umarmte Leo und weinte an seiner Wange.
»Jetzt können wir es tun …«, sagte sie und küßte ihn. »Jetzt geht es …«
»Was?«
»Du kannst dir ein Pferd kaufen, ein schönes, starkes Pferd …«
»Nein!« Kochlowsky scharrte die Goldstücke zusammen und schob sie in das Ledersäckchen zurück. »Ich lasse mir kein Pferd schenken, ich werde es mir erarbeiten. Ich bezahle stets selbst, was ich mir leiste! Das Geld ist für Wanda! Kein Wort mehr darüber! – Wie kommt die Fürstin zu Schaumburg-Lippe eigentlich dazu, dir solche Geschenke zu machen und dich immer ›Nichtchen‹ zu nennen?«
»Ich weiß es nicht.« Sophie nahm den Lederbeutel und steckte ihn in ihre Schürzentasche. »Ich habe Mama ein paarmal gefragt, und immer hat sie geantwortet: ›Es ist ein Geheimnis, das ich mit ins Grab nehme …‹«
Es war wirklich ein schöner Heiliger Abend. Bevor sie ins Bett gingen, standen sie noch Hand in Hand vor Wandas Körbchen und küßten sich.
»Ich liebe dich«, sagte Kochlowsky plötzlich, drehte sich weg und ging ins Schlafzimmer, als schäme er sich.
Das war für Sophie das schönste Weihnachtsgeschenk.
IX
Am Morgen des ersten Weihnachtstages, zur schicklichen Zeit gegen halb elf Uhr, klingelte es bei Kochlowsky an der Haustür. Sophie war schon in der Küche und bereitete das Mittagessen vor, eine polnische Rinderzunge mit Brechbohnen und Kartoffelklößen, also machte Leo die Tür auf und sah einen festlich angezogenen Leopold Langenbach vor sich. Auf dem Weg stand eine Kutsche der Ziegelei. Langenbach hatte einen in Papier eingewickelten Blumenstrauß in der Hand und unter den Arm ein längliches Paket geklemmt.
»Ein frohes Weihnachtsfest!« sagte er mit ehrlicher Freude. »Und Friede auf Erden …«
»Was wollen Sie?« Kochlowsky wich nicht einen Zentimeter aus der Tür und blickte Langenbach böse an.
»Ich wollte Ihrer Frau, Ihnen und dem Kind …«
»Haben Sie sich nicht in der Tür geirrt?« unterbrach ihn Kochlowsky barsch. »Oder wurden Sie hinter meinem Rücken eingeladen?«
»Es war mir ein Herzensbedürfnis, Ihrer Frau …«
»Ihre Bedürfnisse lassen Sie gefälligst woanders zurück«, sagte Kochlowsky grob. »Ich verbitte mir weitere
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