Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
aufführt … Na, ich bitte Sie …«
»Alle trugen ein Trikot.«
»Durchsichtig, sagt man!«
»Das ist eine Infamie! Sie waren fleischfarben …«
»Immerhin …« Sie lächelte breit. »Viel Raum für greifbare Phantasie.«
»Begnügen Sie sich mit Phantasie, gnädige Frau!« meinte Kochlowsky leichthin.
Blandine Rechmann zog die Augenbrauen hoch und unterbrach ihr Kämmen. Das Gespräch begann ihr zu gefallen. Es bekam einen prickelnden Reiz.
»Interessiert Sie das, Herr Kochlowsky?« fragte sie und legte mit einer koketten Handbewegung einen Teil ihres langen roten Haares über ihre Brust.
»Mich interessiert hier nur die Gans«, sagte Kochlowsky rauh.
»Die was?« Blandine Rechmann starrte ihn ungläubig an. »Aber bitte, wenn es Ihnen Spaß bereitet, nennen wir es so, Sie Gänserich …«
»Sie mißverstehen mich.« Kochlowsky war ganz steif geworden. »Ich bin gekommen, um bei Ihnen eine gute Weihnachtsgans zu bekommen – vorausgesetzt, Sie verkaufen mir eine.«
»Und überfallen mich deswegen in meinem Boudoir?«
»Ich bat schon um Pardon, gnädige Frau … Wohin kann ich mich wenden?«
»Den Geflügelhof, zusammen mit dem anderen Tierbestand, verwaltet sonst ein Forsteleve. Mein Mann …«, sie sprach das ›Mann‹ fast wie ein Schimpfwort aus – »ist ein Narr. Wissen Sie, was hier im Gehege alles herumläuft? Drei Hirsche, sechs Rehe, fünf Wildschweine, zwei zahme Füchse, Fasanen und Trappen, zwei Milchziegen, vierzehn Schafe und sogar ein Mufflon! Die Kühe und Pferde, Hunde und Katzen zähle ich schon gar nicht mehr mit. Ich bin nur von Tieren umgeben – und ab und zu kommt mal ein Mensch wie Sie und will was. Ein Tier … eine Gans …« Sie lachte schrill, hell, mit einem deutlich hysterischen Unterton und bog sich dabei auf ihrem Seidenhocker. Kochlowsky starrte sie an … sie war von einer begeisternden Schönheit, einer Wildheit, die mitreißen konnte, auch wenn man ahnte, welche Gefahr damit verbunden war. »Eine Weihnachtsgans!« lachte sie und sprang auf. »Ich führe Sie selbst zu ihnen. Schlachten Sie sie auch? Wie machen Sie das? Drehen Sie ihr den Hals um, oder erwürgen Sie sie? Oder hacken Sie ihr den Kopf ab? Können Sie das? Ein lebendes Wesen köpfen? Das will ich sehen.«
»Gänse betäubt man mit einem Schlag auf den Kopf und sticht sie dann ab«, sagte Kochlowsky gepreßt.
»Und das machen Sie?« Ihre Augen glitzerten. »Sie stechen sie ab? Und Ihre Hand zittert nicht dabei …«
»Wie komme ich zum Gänsestall?« fragte Kochlowsky laut.
»Ich schenke Ihnen die schönste Gans, wenn Sie sie vor meinen Augen abstechen.« Ihre Lippen zuckten, der Mund war halb geöffnet, ihre Zungenspitze spielte schlangengleich zwischen den Zähnen. Das Glitzern in ihren Augen, die nun tiefgrün schimmerten, begann zu flackern.
»Ich habe mir noch nie etwas schenken lassen, was ich kaufen wollte«, sagte Kochlowsky knapp. Er ging zur Tür und öffnete sie. »Es wird wohl draußen jemand zu finden sein, der mir den Weg zum Gänsestall zeigt.«
»Noch habe ich nicht gesagt, daß ich Ihnen eine Gans geben werde.«
»Ich gehe davon aus …«
»Und wenn ich nein sage?«
»Dann nehme ich das zur Kenntnis und suche mir ein Prachtexemplar aus.«
»Ihre Frechheit ist einmalig, Herr Kochlowsky.«
»Sagten Sie nicht, ich sei berüchtigt?« Er grinste kurz. »Man muß seinem Ruf doch Ehre machen.«
Er wollte gehen, aber Blandine hielt ihn zurück. »Warten Sie einen Augenblick …«
Sie ging an ihm vorbei, schloß hinter ihm die Tür und drehte den Schlüssel herum. Dann lehnte sie sich an die Wand und spielte mit ihren langen, offenen Haaren.
Kochlowsky sah sie eine Weile stumm an. Dann fragte er:
»Was soll das?«
»Küssen Sie mich, Leo! Mon dieu, stehen Sie nicht so hölzern herum! Sie wollen mich doch küssen …«
»Ihr Mann, gnädige Frau …«
»Der ist heute nach Leipzig gefahren und kommt nicht vor dem Abend zurück. Haben Sie Angst vor meinem Mann? Sie, so ein Bär, haben Angst vor einem Hasen? Oder ist es das neue Gefühl, ein treuer Ehemann sein zu müssen? Ein junger Vater …« Sie betonte das jung besonders und zog es in die Länge. Kochlowsky spürte, wie es unter seiner Kopfhaut zu kribbeln begann. Das Gefühl verstärkte sich, als Blandine an ihn herantrat und er ihr süßes Parfüm einatmete. Ihr Atem glitt über sein Gesicht. »Ich habe mich für Sie interessiert, Leo …«, sagte sie leise und wußte genau, daß ihre Stimme und ihr Lächeln zusammen
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