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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Anlässen und wenn es unvermeidlich war, nannte den König von Sachsen seinen Freund und haßte wie dieser alles, was nach zackigem Preußen aussah. Er liebte die deftige Küche, war ein leidenschaftlicher Jäger, verstrickte sich in keinerlei Affären – obwohl die sächsischen Frauen wegen ihrer Schönheit berühmt waren –, ließ auch die Töchter seiner Bediensteten in Ruhe, strahlte Jovialität aus und machte sich bei allen, vor allem aber in seinem Wurzen beliebt. Am heiligsten war ihm seine Ruhe bei einem Glas Wein und seiner Meerschaumpfeife. Seine Kleidung wirkte meist ländlich: Wer ihn nicht kannte und ihm auf der Straße begegnete, hätte ihn für einen einfachen Handwerker, bestenfalls für einen kleinen Beamten gehalten.
    Das krasse Gegenteil von ihm war sein ›Hofstaat‹: Er leistete sich einen Haushofmeister, so vornehm, daß man versucht war, ihn mit Exzellenz anzureden; vier Diener, die wie Emil Luther stocksteif herumstolzierten; sechs Mamsellchen, die das Haus in Ordnung hielten; zwei Köchinnen, deren Spezialität rohe Kartoffelklöße waren, umgeben von Sauerbraten aus der Wildschweinlende – vom Grafen selbst geschossen; und im Stallbereich zwei Kutscher und drei Stallburschen; der absolute Höhepunkt aber war der gräfliche Stallmeister und Bereiter: ein Baron von Üxdorf, ausgeschiedener Husarenrittmeister, der seinen Dienst quittieren mußte, weil er die Tochter seines Regimentskommandeurs geschwängert, aber nicht geheiratet hatte. Baron von Üxdorf kam über diese Schmach nie hinweg, verkroch sich bei Graf Douglas in Wurzen und trug als Stallmeister eine selbstentworfene schwarze Uniform als sichtbares Zeichen ewiger Trauer. Mit dem Grafen spielte er abends manchmal Schach, und wenn er gewann, sprang er auf, knallte die Hacken zusammen und bat um Verzeihung. Aber reiten konnte er wie ein Araber.
    Leo Kochlowsky hatte ungefähr eine Viertelstunde in der Halle warten müssen, bis wieder jemand erschien. Es war nicht Emil Luther, sondern der Haushofmeister; er musterte Kochlowsky wie ein Viehhändler einen Ochsen auf dem Markt und sagte dann näselnd:
    »Sie also sind der neue Ziegeleimann?«
    Kochlowsky sah sich um, drehte sich ein paarmal und hob dann die Schultern. Seine stechenden schwarzen Augen funkelten. In Pleß hätte man jetzt die Tröstungen eines Pfarrers gebraucht. »Meinten Sie mich?« fragte er dumpf.
    »Wen sonst? Sind Sie Kochlowsky?«
    Es war der Augenblick, in dem Leos neues Leben einen Schritt vom Wege abwich. Sein Brustkorb wölbte sich, sein langer, gepflegter schwarzer Bart sträubte sich. Und dann war wieder jene Stimme da, die einst über die gesenkten Nacken der polnischen Landarbeiter von Pleß gedröhnt hatte.
    »Herr Kochlowsky!« brüllte er. »Für Sie noch immer Herr, Sie x-beinige Hofschranze …«
    Es gab keine weiteren Diskussionen mehr. Der Haushofmeister brachte Kochlowsky zum Grafen, aber beide wußten ab dieser Minute, daß eine abgründige Feindschaft sie von nun an miteinander verband.
    Jetzt saß Leo Kochlowsky dem Grafen Douglas auf einem roten Damastsofa mit geschnitzten Lehnen gegenüber, hatte einen Schluck Portwein getrunken, den Emil Luther schweigend, aber mit stechenden Blicken in einer geschliffenen Kristallkaraffe serviert hatte, und rauchte tapfer eine Zigarre, die ihm der Graf angeboten hatte. Douglas selbst schmauchte an seiner Meerschaumpfeife.
    »Da sind Sie nun, mein Lieber«, sagte Douglas gemütlich mit deutlich sächsischem Tonfall. »So plötzlich, Knall auf Fall!«
    »Ich werde am 20. Mai heiraten, Herr Graf …«
    »Weiß ich, weiß ich! Das süße Mamsellchen Sophie aus der Küche. Erst haben Sie die unschuldige Kleine angebufft, und nun müssen Sie heiraten.«
    »Ich hätte sie ohnedies geheiratet, Herr Graf.«
    »Und aus Pleß müssen Sie weg, weil sonst die anderen Weiber Ihnen die Augen auskratzen. Ich habe mich bei Pleß und der Fürstin erkundigt. Kochlowsky, Sie sind ein fabelhafter Verwalter – darum nehme ich Sie auch sofort –, aber sonst sind Sie ein Frauenjäger und ein Grobian, den man stets wie einen Bären gefesselt herumführen sollte. Ihr Weggang von Pleß ist mehr eine Flucht, stimmt's?«
    »Ich will mit meiner Frau hier bei Ihnen ein neues Leben anfangen, Herr Graf«, erklärte Kochlowsky demütiger, als ihm zumute war. »Flucht kann man das nicht nennen, es ist mehr ein Schlußstrich unter die Vergangenheit.«
    »Die Fürstin Pleß würde Sie am liebsten köpfen, wenn sie die Macht dazu hätte! Sie

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