Kölner Kreuzigung
wir Hochkirchens stehen uns wirklich nicht nahe, aber erwarten Sie nicht, dass ich meine Familie, meinen Vater und meinen Bruder, hier eines Verbrechens bezichtige! Nicht einmal nach so langer Zeit!«
»Sie wissen, dass ich diese Elke finden werde.«
»Was Sie dann machen, ist mir egal. Aber ich will nichts damit zu tun haben. In jedem Fall gab es einen lautstarken Krach am Abend, Elke schrie wie am Spieß, fluchte, dass es durch das ganze Haus zu hören war, und einige Tage später war sie verschwunden. Ein paar Monate danach habe ich das erste Mal das Fehlen der Kreuzigung bemerkt.«
»Sie wollen mir erzählen, dass eine einfache Haushaltshilfe mit dem Prunkstück der Kunstsammlung einer der reichsten Kölner Familien unterm Arm einfach so aus dem Haus verschwindet?«
»Sie hat es ja nicht gleich mitgenommen. Aber ich weiß, dass sie einen eigenen Schlüssel fürs Haus hatte. Den hat sie nie zurückgegeben, und sie war rachsüchtig.«
»Aber ihre Familie hätte sich das doch denken können!«
»Meine Familie ist so im Hass mit sich selbst gefangen, dass sie überhaupt nicht auf die Idee gekommen ist, dass jemand außerhalb der Familie hier hereinspaziert und das Bild abhängt. Zumal es ja keinerlei Einbruchsspuren gab. Wir haben uns alle 40 Jahre lang gegenseitig verdächtigt.«
»Nur Sie nicht.«
»Nein«, der Stadtrat lächelte, »ich war cleverer.« Achtlos warf er die Zigarette auf den Rasen seines Vaters und trat sie aus.
Zurück in der Stadt hatte Marius das Gefühl, die zwei losen Enden eines Seils in den Händen zu halten. Anders als beim Seilchenspringen ging es jetzt aber darum, die beiden Enden zu verknüpfen. Möglicherweise hielt er auch die beiden Enden zweier Stromkabel zwischen den Fingern. Dann würde alles um ihn herum explodieren.
Was er vor allen Dingen brauchte, war der Name dieser Haushälterin, die Walter Hochkirchen verdächtigte, und er hatte auch schon eine Idee, wie er an diesen Namen kommen könnte. Hermann Hochkirchen hätte es ihm sagen können, aber Marius wusste, dass der alte Mann ihm diese Auskunft nie gegeben hätte. Was hätte er davon gehabt, eine vage Spur zum Lochner zu haben und dafür sich selbst und vielleicht die Familie in den Abgrund zu stürzen? Er musste das andere Ende des Seils betrachten. Brocks Ende. Brock hatte seine Ermittlungen mit dem Nachlass begonnen, aus dem das Foto stammte.
Jetzt saß er auf der Wohnzimmercouch von Museumsdirektor Anton Malven im Dunkeln und wartete auf den Hausherrn. Einbrechen wurde so langsam zur Routine, dachte der Privatdetektiv bei sich, als er das Türschloss hörte. Anton Malven kam allein und erschrak nicht wenig, als er das Licht anknipste und Marius auf seinem Sofa entdeckte.
»Was wollen Sie von mir?«
»Nur einen Namen, dann bin ich sofort wieder weg.«
»Und wenn ich Ihnen den nicht gebe?«
Marius stand auf, die Wunde an seiner Stirn funkelte im Licht der Halogenscheinwerfer. »Sie werden ihn mir geben. Glauben Sie mir.« Malven nickte nur.
Am nächsten Morgen besuchte Marius das Pflegeheim, in dem die Erblasserin gestorben war, deren Nachlass die ganze Suche ausgelöst hatte. Ihr Name war Hanna Berndt. Der Detektiv saß der Leiterin des Heims gegenüber, einer Frau um die 50 mit langen, offenen dunkelblonden Haaren, einem verhärmten Gesicht, die dem Detektiv ruhig zugehört hatte, als er ihr so offen wie möglich seine Geschichte erzählt hatte.
»Sie nehmen es mir nicht übel, dass ich Ihre Geschichte für abenteuerlich halte, Herr Sandmann.« Sie betrachtete die Fotos und die Kopien der alten Dokumente aus dem Krieg, die Marius vor ihr ausgebreitet hatte. Das waren im Grunde alle Beweise, die er hatte. Die Polizei würde ihn wahrscheinlich auslachen, und er war sich nicht sicher, ob Angelika Schwert-Holzheim das insgeheim nicht auch tat.
»Vielleicht gehen wir einfach nur ein paar Minuten davon aus, dass ich recht habe? Was mir fehlt bei diesem Rätsel, ist eine Verbindung zwischen ihrer Frau Berndt und meiner Familie Hochkirchen. Hatte sie keine Verwandten?«
»Nur eine Schwester und einen Neffen. Der Vater des Jungen, also ihr Schwager, ist früh gestorben. Auch die Schwester lebt nicht mehr.«
»Vielleicht haben Sie die Namen dieser Verwandten? Das könnte mir unter Umständen schon weiterhelfen und ich nehme nicht an, dass Sie damit ein Geheimnis preisgeben oder Ihre Berufsehre verletzen.« Marius lächelte freundlich. Schwert-Holzheim hob leicht die Augenbrauen.
»Meine Berufsehre lassen
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