Kölner Kreuzigung
Wandschrank hinter ihrem Schreibtisch und zog eine Schublade auf. Nach kurzem Suchen hatte sie eine dicke Mappe in der Hand, die sie vor Marius auf den Tisch warf. »Da ist alles drin, was du brauchst. Du kannst es dir in Ruhe durchlesen, du kannst dir Notizen machen. Nur kopieren darfst du es nicht. O. K.?«
»O. K. Habt Ihr einen Raum, wo ich mich in Ruhe hinsetzen kann?«
»Du kannst einen der Schneideräume haben.« Verena Talbot führte Marius zu einer kleinen Kammer am anderen Ende des Flurs. Die eine Seite des Raumes wurde von einem Schneideplatz beherrscht. Marius schaute auf eine unübersichtliche Anzahl von verschiedenfarbigen Knöpfen und Scrollrädern unter zwei Monitoren. Neben der Tür stand ein kleiner Tisch mit einem Stuhl. Dorthin legte Talbot die Unterlagen für Marius. »Es ist nicht gemütlich, aber ich denke, es reicht.«
»Geht schon«, Marius nickte. Er wollte in Ruhe die Unterlagen durchsehen, wo, war ihm völlig egal.
»Dann lass ich dich jetzt mal allein.« Die Blondine ließ die Tür zum Flur halb angelehnt, als sie ging. Marius hörte ihre Absätze in dem hallenden Gang und machte sich ans Werk. Seite um Seite fotografierte er mit dem Handy ab.
»Ratte!« Verena Talbot beobachtete Marius auf ihrem Computer. Wie die meisten Arbeitsräume der Produktionsfirma war auch dieser mit einer kleinen Kamera ausgestattet, die sich mit einem Passwort geschützt über das Intranet der Firma steuern ließ. Dennoch ließ sie ihn gewähren.
Sie hatte genug, worüber sie jetzt nachdenken musste. Eine Verbindung zwischen Alberti und dem Gekreuzigten war der Hammer, und vor ihren Augen machte ein Privatdetektiv fleißig verbotenerweise Fotos von ihrem Recherchematerial. Ein Privatdetektiv und vielleicht sogar ein Mörder. Ein Prickeln lief ihr den Rücken hinunter. Sie war sich nicht sicher, ob das nur das Jagdfieber war, das eine gute Story bei ihr auslöste.
Ein paar Stunden später saß Marius Sandmann an seinem Küchentisch und studierte Talbots abfotografierte und auf den Rechner überspielte Unterlagen. Er suchte nach einer Verbindung zur Familie Hochkirchen, aber fand niemanden außer der verstorbenen Tante Elke, bei der er inzwischen fest davon ausging, dass sie 1970 als Hausangestellte bei den Hochkirchens gearbeitet hatte.
Er stützte das Kinn auf die Faust und scrollte planlos durch die einzelnen Fotos. Nirgendwo wurde das Gemälde oder überhaupt ein Interesse für Kunst, von spätmittelalterlicher Malerei ganz zu schweigen, erwähnt. Nichts in Albertis oder Stolz’ Biografie, nichts in ihrem Umfeld deutete auf eine Verbindung zu den Hochkirchens oder zur Kreuzigung. Hätten Sie das Bild besessen, wäre das erwähnt gewesen. Irgendetwas fehlte also in diesen Unterlagen.
Der Detektiv war sich sicher, dass irgendjemand aus dem Umfeld der beiden toten Schauspieler es auf das Bild abgesehen hatte. Dafür aber hätte er den Wert, den das alte Gemälde Stephan Lochners nicht nur für die Familie Hochkirchen besaß, erkennen müssen. Nicht nur das, er hätte das Gemälde auch bei den Schauspielern sehen müssen. Wenn sie es in der Wohnung aufbewahrt hatten, wovon Marius ausging, dann musste er mit denjenigen anfangen, die in der Wohnung zu Besuch waren. In Verenas Unterlagen fand er eine Liste der Gäste, die an der letzten Party des Schauspielerpärchens teilgenommen hatten. Er fragte sich, wie Verena an diese Namen gekommen war. Entweder war sie eine exzellente Rechercheurin oder sie hatte eine sehr gute Quelle im Ermittlungsteam. So wie Marius die Journalistin einschätze, beides. Er druckte die Übersicht der Personen aus. Leise ratterte der Drucker. Das war immerhin ein Anfang.
Um es sich etwas leichter zu machen, beschloss er, mit den männlichen Gästen zu beginnen. Brock konnte unmöglich von einer Frau gekreuzigt worden sein. Falls der Mörder wirklich unter den Gästen der Party zu finden war, müsste es einer der Männer sein. Marius wusste, dass dieses Vorgehen alles andere als exakt war, und der gescheiterte Wissenschaftler in ihm sträubte sich dagegen. Aber er war klug genug zu wissen, dass es jetzt nur darum ging, irgendwo anzufangen und sich von dort aus weiterzubewegen.
Sechs Namen standen auf seiner Liste. Über das Internet suchte er die Adressen dieser Männer. Je prominenter sie waren, umso schwerer fiel das. Zum Glück hatte er nur einen Schauspieler auf der Liste: Peter Wiedemann, dessen Adresse er zwar nicht fand, aber immerhin stieß er auf die Information,
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