Kölner Kreuzigung
diesem abscheulichen Verbrechen stecken?« Ein jüngerer Kollege des Lokalredakteurs von einer der Kölner Boulevardzeitungen. Bergkamp schnaubte leicht, als er die Frage hörte. Noch bevor Stein antworten konnte, rief ein weiterer Journalist eine Frage in den Raum.
»Oder handelt es sich um islamistischen Terror?« Jetzt ging alles durcheinander.
»Handelt es sich um einen Serienmörder?«
»Besteht Gefahr für die Bürger unserer Stadt?«
Stein zuckte zusammen. Vor dieser Frage hatte er sich am meisten gefürchtet. Seine Reaktion entging der Meute nicht.
»Was verheimlichen Sie uns?«
»Werden die Täter wieder zuschlagen?«
»Gibt es bereits weitere Opfer?«
»Sind andere Menschen in Lebensgefahr?« Der alte Lokalredakteur erhob sich von seinem Platz. Das sorgte einen Augenblick für Aufsehen und Stille. Alle schauten auf diesen Mann. Die auf dem Podium aus Angst vor dem, was er nun sagen würde, die im Saal voller Hoffnung, dass er ihnen den Staatsanwalt waidwund schießen würde.
»Sie wissen, dass Sie sich strafbar machen, wenn Sie Informationen zurückhalten und dadurch Menschenleben gefährden.« Stein blickte sich Hilfe suchend zu Bergkamp um, der wiederum starrte stur und stumm geradeaus.
»Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt der Ermittlungen keine näheren Angaben machen können.« In der ersten Reihe sah Stein in das hübsche Gesicht Verena Talbots, die bisher geschwiegen hatte. Anders als seiner Mitarbeiterin Paula Wagner vertraute er der Journalistin. Sie würde ihn nicht in Schwierigkeiten bringen.
Nun hob sie ruhig die linke Hand und hielt einen Kugelschreiber hoch, als würde sie sich in einer Schulklasse zu Wort melden. Sie lächelte freundlich und Stein gab ihr sogleich das Wort, in der Hoffnung, dass Verena Talbots Frage ihm einen Ausweg eröffnen würde.
»Welche Rolle spielt der Mitarbeiter dieses ermordeten Detektivs? Es heißt, er habe Ihnen bei seiner Vernehmung eine ziemlich wilde Geschichte aufgetischt?«
Marius Sandmann hatte bis zu diesen Zeitpunkt in der Pressekonferenz noch keine Erwähnung gefunden, für den Staatsanwalt war er trotz Paula Wagners Ansichten eher Zeuge als Verdächtiger, die Presse hatte dem beruflichen Umfeld des Opfers bisher kaum Beachtung geschenkt. Stein jedoch war dankbar über den Themenwechsel.
»Sie verstehen sicher, dass ich Ihnen keine Auskunft über den Inhalt einzelner Vernehmungen machen kann, Frau Talbot.«
»Natürlich, aber stimmt es, dass er behauptet hat, im Auftrag des Wallraf-Richartz-Museums zu arbeiten?«
»Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.«
»Aber ist es richtig, dass das Museum in Wirklichkeit nicht mit diesem Detektiv zusammenarbeitet?«
Woher wusste sie das alles? Er hatte es ihr nicht erzählt, und bei Bergkamps Stummheit und Paula Wagners Misstrauen war Stein sich ziemlich sicher, dass auch die beiden geschwiegen hatten. Offensichtlich verstand Verena Talbot etwas von ihrem Job und es ging für ihn nun darum, sich diese Fähigkeiten zunutze zu machen. Er musste Verena Talbot und der Meute etwas liefern, um hier halbwegs unbeschadet herauszukommen.
»Nun, davon können Sie ausgehen.«
»Also hat dieser Detektiv, Marius Sandmann, gelogen?«
Stein schaute sich ein drittes Mal zu Hannes Bergkamp um, der weiter jeden Blickkontakt mied. Er musste hier raus.
»So könnte man das ausdrücken. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich nichts weiter zu diesem Fall sagen kann.« Stein erhob sich im Stimmengewirr der Journalisten, die sich auf diesen neuen Hinweis stürzten wie ein Rudel ausgehungerter Wildhunde. Eilig verließ er den Sitzungssaal, ohne sich noch einmal umzusehen. Die Presse hatte ihre Story, die Ermittlungen hatten für einen kleinen Moment die Ruhe, die sie brauchten. Bergkamp war Stein gefolgt. Auf dem Flur sprach er das erste Mal wieder.
»Wir wissen nicht, ob Marius Sandmann gelogen hat. Was ist, wenn er die Wahrheit gesagt hat?« Aber Stein hörte ihm nicht zu. Er rannte einfach weiter.
31
In der anbrechenden Dunkelheit des späten Nachmittags stand Marius Sandmann vor dem verschlossenen Gittertor eines Anwesens im Kölner Süden, eine hohe, grau verputzte Mauer umschloss den nur durch das Tor einsehbaren Garten. Marius drückte auf die Klingel rechts neben dem Eingang und wartete, bis sich nach einiger Zeit eine weibliche Stimme meldete. Er stellte sich kurz vor und bat, hereingelassen zu werden. Doch die Stimme verweigerte ihm den Einlass und der Summer blieb stumm.
Marius
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