Kölner Kreuzigung
Sie mal meine Sorge sein. Ich kann Ihnen die Namen natürlich heraussuchen. Aber das wird Ihnen nicht viel helfen, wie Sie wissen. Die sind alle tot.«
»Auch der Neffe?«
»Ja, auch der.« Schwert-Holzheim hatte sich mit ihrem Bürostuhl von Marius abgewandt und suchte in einem Hängeregister hinter ihrem Schreibtisch nach Papieren. Schließlich zog sie eine knallorange Mappe hervor. Sie bemerkte Marius’ irritierten Blick auf das grelle Orange. »Warum soll der Tod immer schwarz sein? Bei mir ist er orange.« Sie schlug die Mappe auf und fuhr mit dem Finger das erste Blatt herunter. »Hier ist es. Elke Jonas, geboren in Köln 20.11.1949, gestorben am 24. Dezember – oh Gott, arme Sau, an Weihnachten – 1996. Sie hat geheiratet am …«
»Wissen Sie etwas darüber, wo Frau Jonas 1970 gearbeitet hat?«
»Nein, junger Mann, ich weiß nun wirklich nicht alles. Frau Jonas war nie Gast bei uns. Deshalb kann ich Ihnen da nicht weiterhelfen. Jedenfalls hat sie nicht viel hinterlassen. Soweit ich das sehe. Erbin war ihre Schwester, unsere Insassin.«
»Die ihr gesamtes Erbe dem Stadtmuseum vermacht hat.«
»Ihr Neffe hat das ein oder andere abbekommen. Ich vermute mal, was wertvoll war, hat sie ihm überlassen. Schon vor ihrem Tod. Das Museum hat nur die Reste bekommen.«
»Warum vermacht jemand seinen Papierkram dem Museum?«
»Ach, die Leute vermachen ihre Sachen den unmöglichsten Erben. Manchmal ist das auch besser, als wenn die Familie das Erbe in die Finger bekommt. In ihren Neffen war sie allerdings regelrecht vernarrt. Ich hab’s leider nicht so mit Namen. Ah, hier ist er. Ja, er hat den Mädchennamen seiner Tante angenommen. Als Künstlername. Christian Alberti. Sagt Ihnen das was?«
Marius saß einen Moment mit offenem Mund und großen Augen vor der Frau. »Der Schauspieler?«
»Genau. Schauspieler war er. Kannten Sie den? Ich kenne mich mit so etwas ja überhaupt nicht aus.«
»Ich habe von ihm gehört.«
TEIL 3
SCHMERZENSMANN
32
Paula Wagner saß auf ihrem Bürostuhl, den linken Fuß unter dem rechten Oberschenkel eingeklemmt, und beobachtete Marius Sandmann, wie er mit schnellen Bewegungen ein Diagramm auf das Whiteboard zeichnete. Ein weiteres Mal fiel ihr auf, wie geschmeidig sich der Privatdetektiv bewegen konnte und welche Kraft er ausstrahlte. Trotzdem mochte sie ihn nicht.
Nun ließ Marius den Stift sinken und schaute sie, Hannes Bergkamp und Staatsanwalt Thomas Stein fragend an. Er schien die Skepsis in ihren Gesichtern lesen zu können. Die beiden Männer schwiegen, es war einmal mehr an ihr, zu sprechen.
»Sie meinen also, dass ein Mitglied der Familie Hochkirchen, einer der einflussreichsten und angesehensten Familien dieser Stadt, Ihren Chef Gunter Brock, Christian Alberti und Julia Stolz ermordet hat, um an dieses Stephan Lochner-Bild zu kommen?«
»Ich vermute, Brock wurde ermordet, weil er dem Täter auf der Spur war.« Paula Wagner nickte kurz. »Obendrein hat der Täter in einer Nacht zwei alte Männer in Chorweiler und draußen im Wittgensteiner Land umgebracht, die offenbar eines natürlichen Todes gestorben sind?« Stein schaltete sich ein.
»Meinen Sie, das war der gleiche Mann, der vor 60 Jahren im Krieg zwei Soldaten ermordet hat, weil er das Bild damals schon geraubt hat?« Die Zweifel hingen wie eine Dunstschwade im Raum. Stein fuhr fort. »Eine reichlich abenteuerliche Geschichte, wenn Sie mich fragen.«
»Wir bräuchten schon ein paar Beweise.« Marius wies auf die Fotos von Hermann Hochkirchens Arbeitszimmer.
»Da haben Sie Ihre Beweise.« Paula Wagner nahm die beiden Fotos vom Schreibtisch und betrachtete sie. Bis auf das neue Bild im Hintergrund war das tatsächlich derselbe Raum.
»Dieses Foto haben Sie also in der Villa der Familie Hochkirchen gemacht?«
»Vorgestern Abend, ja.« Paula Wagner ließ das Bild sinken. Sie wollte schon etwas sagen, aber Stein kam ihr zuvor. Er stand auf und gab Marius die Hand.
»Wir bedanken uns für diese Hinweise, aber ehrlich gesagt: Wir verfolgen schon eine andere vielversprechende Spur im Mord an Ihrem Chef, und den Fall des ermordeten Schauspielerpärchens Alberti und Stolz haben wir, wie Sie ja wissen, bereits aufgeklärt.« Stein strich sich kurz über das Jackett, dann brachte er Marius zur Tür, die er hinter dem Privatdetektiv schloss. Paula Wagner und Hannes Bergkamp schauten sich an.
»Was halten wir jetzt davon?«, wandte sich Stein an die beiden Ermittler.
»Schwer zu sagen«, erwiderte Hauptkommissar
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