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Kölner Kulissen

Kölner Kulissen

Titel: Kölner Kulissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Pranschke
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wieder aufnehmen will, betritt die Schauspielerin einen Fotofix-Automaten am Straßenrand.
    Warum macht sie jetzt Passbilder? Hanna wechselt die Straßenseite und stellt sich in eine lange Schlange vor einer Pizzabude. Von hier aus hat sie einen guten Blick auf den Fotofix-Automaten. Mittlerweile ist sie davon überzeugt, dass Paula Farkas etwas im Schilde führt. Hanna kann sich nur nicht entscheiden, wie sie weiter vorgehen soll: Entweder folgt sie ihr und lässt den geheimnisvollen Rucksack im Schließfach unbeobachtet. Oder sie lässt sich das Schließfach vom Sicherheitspersonal öffnen, verliert aber dafür die Frau aus den Augen. Hätte sich doch Weyrauch heute Morgen davon überzeugen lassen, sie zu begleiten. Dann hätten sie die Aufgaben jetzt teilen können. Sie sieht auf ihre Armbanduhr: fünfzehn Uhr siebenundzwanzig.
    Als sie ihren Blick wieder hebt, entdeckt sie in der Menschenmenge ein bekanntes Gesicht. Vom Dom her kommt Zoltan Kapetanovic die Straße entlang. Sein mit Gel zurückgekämmtes halblanges Haar glänzt in der Sonne. Er stößt beinahe mit einer Frau zusammen, die drei große hellbraune Hunde an der Leine führt. Danach kommt er an dem Fotofix-Automaten vorbei, unter dessen Vorhangkante Paula Farkas’ Beine zu sehen sind. Hannas Herz schlägt schneller. Sie zieht ihr Telefon aus der Jackentasche. Kapetanovic betritt den Elektromarkt. Vorher sieht er sich kurz nach beiden Seiten um. Hanna wendet sich ab und macht in der Schlange vor der Pizzabude einen Schritt nach vorn.
    Als sie wieder zum Eingang des Kaufhauses hinübersieht, verschwindet Kapetanovic eben durch die Schiebetüren. Sie tippt Weyrauchs Nummer in ihr Handy. Es dauert eine Weile, bis er abnimmt. Hanna starrt auf die Beine der Schauspielerin in dem Fotofix-Automaten.
    »Was ist?«, schnauzt Weyrauch ins Telefon. »Es ist gleich halb vier. Verspätest du dich etwa?«
    »Du musst sofort kommen, Lothar! Hier geht was vor.«
    »Wo bist du?«
    »Hohe Straße, gegenüber vom Media Markt. Kapetanovic ist da gerade reingegangen. Und vorher hat die Farkas einen Rucksack in den Schließfächern deponiert.«
    »Was für einen Rucksack?«
    Auf der anderen Straßenseite zieht Paula Farkas den Vorhang des Automaten zur Seite und steht vom Hocker auf.
    »Lothar, ich hab jetzt keine Zeit, um dir das ausführlich zu erklären. Komm sofort hierher und halt nach Kapetanovic Ausschau. Ich folge weiter der Farkas.«
    »Ich …«
    »Ruf mich an, sobald du hier bist. Und beeil dich.«
    Sie legt auf und steckt das Telefon zurück in die Jackentasche. Als sie wieder zum Automaten hinübersieht, kreuzt ihr Blick den von Paula Farkas.
    Hanna wirbelt zur Pizzabude herum. Vor ihr steht niemand mehr in der Schlange. Der Pizzaverkäufer sieht ihr so direkt in die Augen wie vor einer Sekunde die Schauspielerin. Beinahe ist sich Hanna sicher, dass Paula Farkas sie gesehen hat.
    »Normale oder gefüllte?«, fragt der Pizzaverkäufer.

ZWANZIG
    Paula nimmt das Kaugummi aus dem Mund. Sie hasst Kaugummi. Vor drei Minuten hat sie begonnen, darauf herumzukauen. Jetzt ist die zähe Masse endlich formbar genug. Sie wirft noch einen Blick zwischen Wand und Vorhang des Fotofix-Automaten hindurch. Bei den Schließfächern hat sie sich beobachtet gefühlt. Aber draußen ist kein bekanntes Gesicht zu sehen. Das ist bei dem schmalen Schlitz, durch den sie späht, auch kaum zu erwarten. Sie zerrt den Vorhang noch einen Zentimeter weiter, um auch diesen winzigen Spalt zu schließen. Von draußen sind jetzt nur noch ihre Waden zu sehen – als würde sie einfach nur Passfotos machen.
    Doch anstatt Kleingeld für den Automaten aus ihrem Portemonnaie zu nehmen, öffnet sie ihre rechte Hand. Seitdem sie den Rucksack ins Schließfach gestellt hat, hält sie den Schlüssel fest in ihrer geschlossenen Faust. In ihrer Handfläche hat er einen geriffelten Abdruck hinterlassen. Vorsichtig drückt sie den Schlüssel in die zähe graue Kaugummimasse.
    Ihr Blick fällt auf den Vorhang, und sie bemerkt, dass sie sich getäuscht hat: Nicht nur ihre Waden sind von draußen zu sehen. Der Vorhang reicht ihr nur bis zur Hüfte. So sind auch ihr Hintern und darunter die Sitzfläche des Hockers sichtbar. Probeweise lässt sie die linke, leere Hand zwischen Vorhang und Hocker nach unten gleiten. Sonnenlicht fällt auf ihre Finger – also ist ihre Hand von draußen zu sehen. Aber was bleibt ihr anderes übrig, als wie geplant weiterzumachen? Sie muss den Schlüssel jetzt und hier deponieren.

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