Kölner Kulissen
nicht entdeckt. Gegenüber von Paula Farkas’ Wohnung liegt das »Kunstwerk«, ein altes Industriegelände. In den Backsteingebäuden sind heute Künstlerateliers untergebracht. Dort könnte Hanna nach einer Toilette fragen. Aber was, wenn genau während dieser kurzen Abwesenheit die Schauspielerin ihre Wohnung verlässt? Vielleicht hat sie Hanna vom Fenster ihrer Wohnung aus längst im Schatten der Brücke entdeckt. Vielleicht wartet sie nur auf eine Gelegenheit, unbemerkt die Wohnung zu verlassen. Dass sie zu Hause ist, weiß Hanna mit Sicherheit. Um kurz vor zehn hat sie Paula Farkas ein Fenster öffnen sehen.
Sie ist schon kurz davor, nun doch zum Ateliergebäude hinüberzulaufen, um eine Toilette zu suchen, als endlich die Haustür geöffnet wird. Die Schauspielerin tritt hinaus auf den Bürgersteig. Sie trägt eine schwarze Sonnenbrille, ein enges violettes T-Shirt, eine schwarze Leinenhose und Joggingschuhe. Eine große Sporttasche hängt über ihrer Schulter. In Hannas Richtung sieht sie nicht. Sie wendet sich zur anderen Seite und biegt nach wenigen Metern rechts in eine Seitenstraße ab.
Hanna wartet einen Moment, bevor sie den Wagen startet. Im zweiten Gang fährt sie bis zur Straßenecke. Durch das Beifahrerfenster sieht sie Paula Farkas einen Kioskbesitzer grüßen und weiter die Straße entlanggehen. Sie will schon abbiegen, um ihr mit dem Wagen zu folgen, als sie das Verkehrsschild bemerkt: Sackgasse. Hanna flucht und schlägt aufs Lenkrad. Aussteigen und die Verfolgung zu Fuß aufnehmen kommt nicht in Frage. In dieser einsamen Seitenstraße wäre sie zu leicht zu bemerken. Sie überlegt, wohin die Schauspielerin gehen mag. Wahrscheinlich gibt es am Ende der Sackgasse einen Durchgang für Fußgänger, der auf den Pfälzischen Ring führt. Ein Stück weiter links ist dort eine Straßenbahnhaltestelle.
Hanna wendet den Wagen, fährt unter der Zoobrücke hindurch und biegt am Messegelände links ab. Sie hat richtig vermutet: An der Haltestelle sieht sie Paula Farkas Geld in einen Fahrkartenautomaten stecken. Am Wiener Platz könnte sie in eine U-Bahn umsteigen, deshalb macht es keinen Sinn, ihr mit dem Auto zu folgen – sie würde die Spur verlieren. Hanna bremst den Wagen ab und sieht sich nach einem Parklatz um. Hinter ihr hupt jemand und überholt sie mit quietschenden Reifen. An der Haltestelle schauen ein paar Leute zu ihr herüber. Hanna flucht erneut. Hier gibt es keine Parkplätze. Sie lenkt den Wagen auf den Bürgersteig und stellt den Motor ab. Als sich die Linie vier in Richtung Schlebusch nähert, wartet sie bis zum letzten Moment. Erst als sie Paula Farkas in die Straßenbahn steigen sieht, springt Hanna aus dem Auto, rennt quer über die Straße, erklimmt den Hochbahnsteig und steigt im zweiten Waggon ganz hinten ein, als die Türen sich gerade schließen.
Sie bleibt an der hinteren Tür stehen. Die meiste Zeit hält sie den Blick gesenkt. Erst als der Fahrer vor der nächsten Station abbremst, sucht Hannas Blick wieder nach der Schauspielerin. Sie ist im gleichen Waggon an der vorderen Tür eingestiegen. Es dauert einen Moment, doch dann entdeckt Hanna ihren dunklen krausen Haarschopf zwischen den anderen Köpfen. Das Gute an dem Gedränge ist, dass auch Hanna darin nur schwer zu entdecken ist. Die Türen öffnen sich. Zwei ältere Frauen mit Einkaufstaschen steigen ein. Niemand verlässt die Bahn. Hanna senkt wieder den Blick.
Am Wiener Platz steigen die meisten Fahrgäste aus. Ebenso viele wollen einsteigen. Für Sekunden verliert Hanna den Überblick. Als sie Paula Farkas in der Menge entdeckt, betritt diese bereits die Rolltreppe nach unten. Gerade wollen vor Hanna zwei Jugendliche in die Bahn einsteigen. Sie stößt die beiden zur Seite, hastet auf den Bahnsteig, folgt der Schauspielerin die Rolltreppe hinunter und weiter bis zur Ladenpassage an der Nordseite des Wiener Platzes.
Hanna ist darauf bedacht, den Abstand nicht zu klein werden zu lassen. Wieder einmal muss sie an ihren Vater denken. Angeblich war er ein Ass im Observieren. Aber worin soll Gerd Suttner eigentlich kein Ass gewesen sein? Hannas Blick fällt auf eine Uhr im Schaufenster eines Ein-Euro-Ladens. Inzwischen ist es ein Uhr. In drei Stunden beginnt im Präsidium die Abschiedsfeier für ihren Vater.
Paula Farkas biegt um eine Ecke der Ladenpassage und verschwindet so für einen Moment aus Hannas Blickfeld. Sofort beschleunigt Hanna ihre Schritte. Als sie die Ecke erreicht, sieht sie die Schauspielerin gerade
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