Kölner Kulissen
»tust du mir einen Gefallen? Leck mich am Arsch!«
Sie zieht den Gurt ihrer Tasche straff und geht an ihm vorbei. Richard Petri zögert einen Moment, grinst dann vorsichtig in sich hinein und folgt seiner Praktikantin.
Zoltan flucht noch einmal und sieht auf seine Armbanduhr. Es fehlt ihm die Zeit, um den beiden hinterherzulaufen und Mila umzustimmen, notfalls mit Gewalt. Er muss eine Weile vor dem verabredeten Zeitpunkt in dem Laden sein, um sich dort umzusehen. Aber vielleicht hilft er seiner Schwester ja auf diese Weise am besten: indem er diese verdammte Übergabe sauber über die Bühne bringt. Slobo müsste schon in dem Kaufhaus sein. Dragan gibt ihm die Chance, sich zu bewähren.
»Aber falls er noch mal Scheiße baut«, hat er Zoltan unter vier Augen gesagt, »müssen wir ihn loswerden. Mein lieber Neffe wird sonst zu einem Sicherheitsrisiko. Familie hin oder her. Du erledigst das dann.«
Bisher hat sich Slobo nicht gemeldet, was Zoltan als gutes Zeichen wertet. Er wirft Mila und Richard Petri einen letzten Blick hinterher und geht dann in Richtung Hohe Straße.
Als er Dragan sein Vorgehen erklärt hat, hat er seinen Chef zum ersten Mal beinahe die Fassung verlieren sehen. Normalerweise erwähnt Zoltan ihm gegenüber nicht, wie er seine Jobs erledigt. Solange alles glattläuft, teilt er ihm nur die Ergebnisse seiner Arbeit mit, nicht den Weg dorthin. Sie vergeuden beide nicht gern Zeit mit Erklärungen. Aber dieses Mal ist Zoltan schon ein wenig stolz auf seine Idee und auf den Erfolg, den er bisher damit gehabt hat. Er hat Dragan einfach davon erzählen müssen. Anscheinend hat der daraufhin begonnen, an Zoltans Verstand zu zweifeln.
»Du hast per E-Mail Kontakt aufgenommen?«
»Nein, Dragan. Derjenige, der dein Koks hat, hat mir eine E-Mail geschickt.«
»Wie, zum Teufel, kommt er an deine E-Mail-Adresse?«
»Ich hab Visitenkarten verteilt.«
»Du hast …«
»Bei Freunden und Bekannten von Vico und Julia Schwartz.«
Dragan hat sich auf seinen Stock gestützt und Zoltan angestarrt. »Seit wann verteilen wir Visitenkarten?«
»Es steht nur eine E-Mail-Adresse drauf. Die hab ich extra dafür eingerichtet. Nirgendwo taucht mein wirklicher Name auf. Es gibt keine Spur zu uns.«
Dragan hat ein wenig Zeit gebraucht, um das nachzuvollziehen.
»Ich hatte die Adressen der Leute und bin ihnen gefolgt«, hat Zoltan weiter erklärt. »Irgendwo hab ich sie dann angesprochen, am Kiosk, in der Kneipe, beim Sport … Ich hab ein paar Andeutungen gemacht und ihnen meine Karte dagelassen.«
»Du meinst, sie wussten, mit wem sie zu tun hatten?«
»Nur einer von ihnen. Ich schätze, wer auf einem Pfund Koks sitzt, macht sich eine Menge Gedanken über jeden Fremden, der ihn anspricht.«
Langsam hat sich Dragan in Zoltans Vorgehensweise hineindenken können. »Und wenn er nicht allzu dumm ist«, hat er gesagt, »errät er schnell, wer ihm da seine Visitenkarte gegeben hat.«
»Genau«, hat Zoltan bestätigt. »Daraufhin schreibt er dem geheimnisvollen Fremden eine E-Mail, vereinbart ein Rendezvous …«
»… und bringt zu diesem Rendezvous gleich die Bullen mit«, hat Dragan den Satz beendet und Zoltan mit einer Mischung aus Verständnislosigkeit und Wut angeschaut.
Aber Zoltan hat den Kopf geschüttelt. »Wie soll er den Bullen erklären, warum er sich mit mir treffen will? Herr Kommissar, ich habe da ein Pfund Kokain. Nein, es gehört mir selbstverständlich nicht, ich habe doch nichts mit Drogen am Hut. Aber ich kann Ihnen die bösen Dealer auf dem Silbertablett servieren. «
»Du meinst, der Typ will nur abkassieren?«
»Und dabei bestimmt keine Bullen um sich haben. Deshalb auch die Übergabe am Freitagnachmittag in der Innenstadt. In einem Kaufhaus unter Hunderten von Leuten. Der Feigling sucht Schutz in der Menge.« Nach diesem Satz hat Zoltan die Arme vor der Brust verschränkt zum Zeichen, dass hier nichts mehr zu ergänzen sei. In ähnlicher Pose hat eben Mila vor ihm gestanden.
Tatsächlich ist Dragan eine Weile still geblieben. Er hat hinter seinem Schreibtisch Platz genommen und in die Luft geschaut, vollkommen bewegungslos. Mit Ausnahme seiner rechten Hand – die hat den Knauf seines Gehstocks gerieben, immer und immer wieder. Nach all den Jahren, die Dragan nun im Geschäft ist, nach all den Entscheidungen, die er während dieser Zeit treffen musste, ist der Lack am Knauf des Stocks vollständig abgerieben.
»Okay, meinetwegen«, hat er endlich gesagt. »Soll er den Schutz der Menge
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