Kölner Kulissen
hat gefragt, was er nun, da sie seine E-Mail-Adresse besitze, von ihr erwarte. Auf die Idee ist sonst niemand gekommen. Aber auch ihren dunklen Haarschopf kann er in der Menge nicht entdecken.
Stattdessen fällt ihm ein Mann auf. Zoltan kennt ihn nicht. Er ist groß und schmal, kein Sportlertyp, aber nicht unattraktiv. Er wirkt wie knapp dreißig und trägt die Art Kleidung, zu der Martha Zoltan immer wieder überreden will: ein für Zoltans Empfinden zu langes hellbraunes Leinensakko, darunter ein weißes T-Shirt mit einem nichtssagenden Schriftzug quer über der Brust. Zoltan verabscheut diese Mischung aus Gesellschaftskleidung und Freizeitlook. Doch es ist nicht die Kleidung des Mannes, die seine Aufmerksamkeit erregt hat. Die Art, wie er sich nach allen Seiten umsieht, verrät, dass er nicht nach Sonderangeboten Ausschau hält. Er ist nervös. Als der Blick des Mannes sich in seine Richtung bewegt, sieht Zoltan nach unten, nimmt eine Mehrfachsteckdose aus dem Regal und prüft, ob das Kabel fest im Gehäuse sitzt. Danach betätigt er mehrere Male den roten Schalter. Erst dann sieht er wieder zu dem Mann hinüber.
Der bewegt sich inzwischen auf die Kassen zu. Ein bisschen zu schnell für Zoltans Geschmack. Und er hat kein einziges Produkt dabei. Zoltan dreht sich um und sucht in der Menge nach Slobo. Der steht noch immer bei den Lockenstäben und tut so, als vergleiche er zwei Modelle miteinander. Ihre Blicke treffen sich. Durch eine unauffällige Kopfbewegung und einen kurzen Blick lenkt Zoltan Slobos Aufmerksamkeit auf den anderen Mann. Slobo legt einen der Lockenstäbe zurück auf den Tisch mit den Sonderangeboten. Mit dem anderen macht er sich auf den Weg zur Kasse.
Zoltan wirft einen zufriedenen Blick auf die Mehrfachsteckdose in seiner Hand und setzt sich ebenfalls in Bewegung. Er stellt sich in die Warteschlange neben der, in die sich der Mann mit dem Leinensakko eingereiht hat. Jetzt erreicht auch Slobo die Kassen. Er steht direkt hinter dem Fremden. Der sieht nun auf seine Armbanduhr. Er scheint den Impuls, sich an der Warteschlange vorbeizudrängeln, zu unterdrücken. Damit würde er ohne Zweifel Aufmerksamkeit erregen, wenigstens so viel scheint ihm klar zu sein. Im nächsten Moment stellt er sich auf die Zehenspitzen, um über die Köpfe der anderen Wartenden hinweg zu den Schließfächern zu schauen. Damit stehen für Zoltan zwei Dinge fest. Erstens: Das hier ist der Mann, der ihnen Dragans Stoff zurückgeben wird. Zweitens: Er ist ein Amateur, der sich vor Angst fast in die Hose macht.
Wahrscheinlich hat sich derjenige, der Cramer das Koks geklaut hat, einen Partner ins Boot geholt. Gar nicht so dumm, denkt Zoltan. So bleibt der Dieb weiterhin unbekannt. Merkwürdig nur, dass der Typ selbst keine Ahnung zu haben scheint, mit wem er hier verabredet ist. Sonst wäre ihm Zoltan, der nur drei Meter neben ihm in der Warteschlange steht, längst aufgefallen.
An Zoltans Kasse geht es etwas schneller voran. Das ist ihm nur recht. Er will vor dem Mann an den Schließfächern, ihrem vereinbarten Treffpunkt, sein. Erst jetzt fällt Zoltan auf, dass der Typ keine Tasche bei sich trägt. Hat er den Stoff etwa in einem der Schließfächer deponiert? Scheiß-Amateur. Wie kann man nur so ein Risiko eingehen?
Zoltan ist der Übernächste in der Warteschlange. Er legt seine Mehrfachsteckdose auf das Band. In diesem Moment fällt der Frau vor ihm das Portemonnaie aus der Hand. Sämtliches Kleingeld verteilt sich auf dem Fußboden. Zoltan bückt sich und hilft ihr, die Münzen einzusammeln. Auch Slobo, dem das Geld bis vor die Füße gerollt ist, hebt ein paar Münzen auf und gibt sie der Frau. Der Fremde hilft nicht. Er sieht stur geradeaus. Der Kunde vor ihm schiebt seinen leeren Einkaufswagen ans Ende des Bandes und gibt der Kassiererin seine Kreditkarte. Da zwängt der Mann im Leinensakko sich durch die entstandene Lücke. Fünf Sekunden später steht er vor den Schließfächern.
Zoltan sieht, wie er einen Schlüssel aus der Innentasche seines Sakkos zieht. Mittlerweile hat die Frau ihr Kleingeld wieder beisammen und bezahlt. So kommen Zoltan und Slobo gleichzeitig an die Reihe. Für einen Moment fürchtet Zoltan, Slobo könnte wieder mal kein Geld dabeihaben und durch Kartenzahlung seines Lockenstabes die Übergabe noch länger hinauszögern. Doch Slobo zieht einen Fünfziger aus der Gesäßtasche seiner Jeans und steckt das Wechselgeld ungezählt in dieselbe Tasche. Beide sehen zu dem Mann an den
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