Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
der
Überzeugung.
»Interessante Wortwahl«, stellte
Marius fest.
»Und vielleicht ein wenig übertrieben«,
warf der Chefredakteur ein.
»Sorry«, sagte Verena nur, »kommen
wir zurück zum Geschäft. Wir bieten Ihnen die Geschichte exklusiv an, wenn sie morgen
in Ihrer Zeitung und am besten gleichzeitig in Ihren Schwesterzeitungen aus dem
Verlag erscheint.«
»Ich kann hier nur für mich sprechen.
Auf die Veröffentlichungen anderer Zeitungen unserer Verlagsgruppe habe ich keinen
Einfluss.«
Verena lehnte sich zurück und schaute
von Engelhart ernst an. »Das ist bedauerlich. Unser Material ist gut, meine Texte
sind gut. Sie wissen selbst, was wir Ihnen für eine Geschichte anbieten. Und jeder
andere Chefredakteur in Deutschland wird das ebenfalls erkennen.«
Von Engelhart zögerte mit der Antwort.
Marius konnte ihm ansehen, dass er mit sich rang. Nicht nur damit, dass das eine
Riesengeschichte war, die ein politisches Erdbeben auslösen konnte, dessen Folgen
nicht nur für ihn unabsehbar waren. Noch mehr schien es dem Detektiv, als würde
von Engelhart damit kämpfen, dass die junge Journalistin, die ihm da gegenübersaß
und die er als freie Mitarbeiterin wohl durchaus schätzte, ihm die Bedingungen diktieren
wollte, unter denen er die politische Bombe platzen lassen sollte. Marius überlegte,
was von Engelhart wohl weniger behagte.
»In jedem Fall werden der Verlag,
die Zeitung und der Redakteur, die diese Geschichte bringen, über Nacht zu den Topadressen
des internationalen Journalismus gehören. Ein Attentat, verübt von einem Soldaten,
der im Krieg gegen den Terrorismus gekämpft hat, vertuscht vom Militärischen Abschirmdienst
und durch schlampige Ermittlungen oder gar mit Wissen des Bundeskriminalamtes gedeckt.
Sie wissen, was das für eine Story ist und Sie wissen, dass ich diese Story schreiben
werde. Bei Ihnen oder bei irgendeiner anderen Zeitung in diesem Land.«
»Ihnen ist klar, dass Sie da aus
streng geheimen Unterlagen zitieren? Das ist Landesverrat.«
»Ihnen ist klar, dass mich das nicht
interessiert?«
Der Chefredakteur hielt die Hände
gefaltet und tippte mehrfach mit den Fingerkuppen gegeneinander. »Würden Sie mich
einen Moment entschuldigen?«, fragte er schließlich und stand auf. Verena und Marius
nickten, dann verließ der Mann sein Büro und ließ sie allein zurück.
Der Detektiv blickte Verena an.
»Guter Auftritt!«
»Zum Glück hat er uns nicht gefragt,
warum wir die Story morgen früh in seiner Zeitung haben wollen.«
»Es ist das Beste, was wir tun können.
Je früher wir an die Öffentlichkeit gehen und je mehr wir in der Öffentlichkeit
stehen, umso sicherer sind wir.«
»Auf eine ironische Art ist das
sogar logisch. Gegen eine Verschwörung hilft nur Transparenz.«
»Glaubst du eigentlich, dass das
alles nur auf Bronckhorsts Mist gewachsen ist, Marius?«
»Nein. Das ist eine Nummer zu groß
für einen einzelnen Mann.«
»Aber wir haben keine Ahnung, wer
noch da drin verwickelt ist.«
»Wenn die Story einmal raus und
Bronckhorst in Haft ist, werden sie uns in Ruhe lassen. Dann können sie alles auf
ihn schieben. Aber dafür müssen wir unbehelligt bleiben.«
»Weil sonst jemand fragt, wer noch
dahintersteckt und die Journalistin und den Detektiv, die alles aufgedeckt haben,
auf dem Gewissen haben könnte.«
»Genau das«, bestätigte Marius,
dann blickte er wieder hinaus in die Dunkelheit. Er meinte, eine Bewegung gesehen
zu haben.
»Was ist?«, fragte Verena.
»Ich weiß nicht genau.«
Marius stand auf und ging ans Fenster.
Von draußen müsste er nun als dunkle Gestalt deutlich vor dem hellen Hintergrund
zu erkennen sein, selbst wenn ein Beobachter ein gutes Stück entfernt stand. Auf
dem Zubringer zur Zoobrücke zum Beispiel, der sich ganz in der Nähe befand. Etwas
raschelte einige Meter vom Fenster entfernt. Er zuckte zusammen. Nichts geschah.
Und mit einem Mal war sich der Detektiv sicher: Wenn von Engelhart die Geschichte
brachte, hatten sie gewonnen. Er setzte sich zurück auf seinen Stuhl.
»Und?«
»Nichts.«
Sie schwiegen, bis nach einigen
Minuten die Tür zum Büro wieder aufging und Engelhart mit drei Männern zurückkehrte.
Zu seiner Überraschung sprang Verena förmlich aus dem Sitz. Die Männer blieben bis
auf von Engelhart und einen alten, grauhaarigen Mann mit einem kräftigen Vollbart
an der Tür stehen. Der Chefredakteur führte den alten Mann, der sich auf einen Stock
stützte, der mit seinem alten Holz und dem silbernen mit einem
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