Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
nahm die Lederjacke von der Garderobe
und stürmte aus der Wohnung.
»Eine Minute, 46 Sekunden«, sagte
Hannes Bergkamp, als Paula die Beifahrertür hinter sich schloss. Dann setzte er
den Blinker, wartete zwei vorbeifahrende Autos ab und setzte gemächlich aus dem
freien Streifen vor der Torzufahrt zum Hinterhof.
»Soll ich fahren?«, fragte Paula
Wagner, Bergkamp schüttelte den Kopf, während die Kommissarin begann, nervös auf
den Seitengriff zu klopfen.
20 Minuten später parkte Hannes
Bergkamp seinen Dienstwagen ein paar Meter vom Treuen Husar entfernt in einer Parklücke.
Die Polizistin Franka Schilling stand in der Tür, Georg Lembach lehnte an einem
Tisch gegenüber der dunklen Holztheke. Er nickte Paula nur kurz zu und ging zur
Tür.
»Wir können dann ja gehen. Spusi
ist benachrichtigt.«
»Sagen Sie zumindest noch, wie Sie
ihn gefunden haben.«
Lembach deutete auf das Fenster
gegenüber dem Toten. »Ein Passant hat ihn von draußen gesehen und uns gerufen. Mehr
wissen wir nicht. Als wir ankamen, war der Zeuge verschwunden und die Tür zur Kneipe
noch offen.«
»Wann war das in etwa?«
»Gegen halb sechs.«
»Das wäre dann fürs Erste alles.
Vielleicht melde ich mich später noch einmal bei Ihnen.« Sie nickte dem Streifenbeamten
kurz zu, dann schaute sie auf den Toten. Horst Blender trug ein weißes Hemd, Jeans
und braune Halbschuhe, die Hose zeigte Spuren des Todes. Der Tote hing mit einem
roten Schal an einen Pfosten der Thekenkonstruktion geknotet etwa 30 Zentimeter
über dem Fußboden. Das Gesicht wirkte entstellt. Falls der Wirt darauf gehofft hatte,
sich beim Erhängen das Genick zu brechen, hatte er sich geirrt. Vermutlich war er
jämmerlich erstickt. Bergkamp erschien neben Paula und schaute ebenfalls auf den
Toten. »Kein schöner Anblick.«
Doch Paulas Gedanken waren bereits
woanders. Ersticken war keine angenehme Todesart. Selbst wenn man sich umbringen
wollte, würde man vermutlich irgendwann versuchen, sich gegen das Unausweichliche
zu wehren. Der Schmerzen wegen. Einen Sprung vom Hochhaus konnte man nicht aufhalten,
ebenso wenig einen heranfahrenden Zug. Paula suchte die nähere Umgebung des Toten
nach Spuren ab, nach irgendetwas, was auf die Anwesenheit einer anderen Person deutete,
fand aber nichts, was sie nicht in einer Kneipe, die am Vorabend noch geöffnet hatte,
erwarten würde. Als sie hinter die Theke gehen wollte, hielt Hannes Bergkamp sie
zurück.
»Wir sollten auf die Spurensicherung
warten.«
Ausnahmsweise gab Paula dem Hauptkommissar
recht, wenn es darum ging, nichts zu tun. Im Halbdunkel des Saales sah Paula die
Spuren des Attentats. Sie wunderte sich, dass Blender die Kneipe wieder geöffnet
hatte, ohne den Saal renoviert zu haben. Ein quer gestellter Tisch sperrte den hinteren
Teil der Kneipe ab. Nicht einmal ein Vorhang verbarg die ausgebleichten Spuren einer
chaotischen Reinigungsaktion vor den Blicken der Gäste. Hinter sich hörte Paula
die Eingangstür, drehte sich um und zuckte unwillkürlich zusammen. Volker Brandt
stand mit seiner unvermeidlichen schwarzen Tasche im Eingang und blickte auf Horst
Blender. »Hässlicher Schal«, sagte er trocken. Dann schritt er hinüber zu dem Toten
und blickte prüfend auf die Füße der beiden Kriminalbeamten, die in kleinen Plastiküberzügen
steckten. »Oh, Sie halten sich an Vorschriften.«
Hannes Bergkamp setzte zu einer
Erwiderung an, seine Kommissarin war schneller. »Solange Vorschriften sinnvoll sind,
halten wir uns natürlich daran.«
»Dann schauen wir doch einmal, was
wir hier haben.« Routinemäßig begann er Leiche und Umfeld zu fotografieren. Einer
seiner Assistenten betrat mit einem größeren Koffer die Kneipe und nickte den beiden
Beamten zu. Brandt schaute kurz zu ihm hinüber, nachdem er mit der ersten Betrachtung
des Erhängten zu Ende war.
»Und?« Paula Wagner konnte ihre
Ungeduld mal wieder nicht zügeln.
»Er ist tot«, antwortete der Rechtsmediziner
trocken. »Alles Weitere bekommen sie im Laufe des Tages in einem vorläufigen Bericht,
falls sie daraufhin ausführlichere Informationen brauchen, kennen Sie ja den Dienstweg,
Frau Kommissarin.«
»Mich würde interessieren, ob Fremdeinwirkung
auszuschließen ist.«
Brandt sah sie über seinen Brillenrand
hinweg an. »Haben Sie Anhaltspunkte für einen Mord, Kommissarin Wagner?«
Paula schüttelte den Kopf. »Ich
habe auch keine Anhaltspunkte für einen Selbstmord, Doktor Brandt.« Kurz bevor sie
gemeinsam mit Bergkamp die Kneipe verließ,
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