Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
rauchen.«
Sie schaute auf eine der Tannen im Nachbargarten. Eine Amsel hüpfte unentschlossen
auf einem Ast herum, bis der nachgab und sie erschrocken davonflog.
»Anja war eine Nette. Wirklich ein
Schatz. Die Vorstellung, dass sie irgendetwas mit dem Anschlag zu tun haben könnte,
ist eigentlich absurd.«
Marius wartete einen Moment, ob
Marie Lundmann weiterreden würde. »Und was ist uneigentlich?«
»Nichts ist uneigentlich. Anja und
dieser Anschlag … Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Wahrscheinlich war es doch dieser
Türke. Ich meine, hätten Sie Anja gekannt, dann stünden wir jetzt nicht hier.«
»Ich sehe Anja Binhold nicht als
Täterin oder Verdächtige. Was ich versuche, ist herauszufinden, ob bei einem der
Opfer ein Motiv für diese Tat liegen könnte.«
»Bei Anja? Ausgeschlossen!« Entschieden
schüttelte die Frau mit den schwarzen Haaren den Kopf.
»Gibt es sonst jemanden, den ich
nach Anja fragen könnte?«
»Sie sind ziemlich hartnäckig, oder?«
»Berufskrankheit, vermute ich.«
»Sie könnten Anjas Freund fragen.
Wenn Sie es schaffen, Kontakt mit ihm aufzunehmen.«
»Wo ist er denn?«
»Afghanistan«, antwortete Marie
Lundmann und schaute Marius dabei an, als sei ihr selber das erste Mal in den Sinn
gekommen, dass es vielleicht doch eine Verbindung zwischen der netten Anja Binhold
und dem Anschlag vom 11. November geben könnte.
30
Gerade hatte Marius sich einen Platz in der Bahn erkämpft. Um ihn herum
drängelten sich Studenten mit ihren schweren Taschen, Marius hatte einem dickbäuchigen
Mann mit Zopf seine Laptoptasche in die Magengrube gehauen und seinen bösen Blick
mit einem gemurmelten »Entschuldigung« besänftigt. Er schwitzte leicht und überlegte,
ob er sich nicht besser bis nach hinten durchkämpfen sollte. Jetzt schellte sein
Telefon, umständlich kramte er es aus seiner Jackentasche, rammte dabei seinen Ellbogen
einer brünetten Frau fast gegen den Hals, entschuldigte sich erneut und verlor fast
den Halt, als die Bahn abrupt an der nächsten Haltestelle hielt. Auf dem Display
blinkte der Name ›Paula Wagner‹. Marius ging ran, während ihn zur gleichen Zeit
eine Gruppe Studenten herumstupste, die versuchte aus der Bahn zu drängeln, als
die ersten neuen Fahrgäste schon zustiegen.
»Wo bist du denn gerade? Das hört
sich an, als stecktest du mal wieder mitten im größten Krawall.«
»Ich fahre nur Bahn«, antwortete
Marius und blickte der Gruppe hinterher, die die Stufen zum Bahnhof Süd hinaufeilte.
»Wohin fährst du?« Gute Frage, dachte
Marius bei sich, während die Studenten den oberen Treppenabsatz erreichten. Sie
wussten, wo sie hinwollten. Er nicht. Von der Universität aus wollte er zurück in
die Stadt, dann weiter und versuchen, doch noch einmal mit Anja Binholds Eltern
zu reden. Den Gedanken, wohin er danach gehen sollte, hatte er beiseitegeschoben.
Zur Not könnte er zu den Ökçans zurück. Was er lieber vermeiden wollte.
»Um ehrlich zu sein: Ich habe keine
Ahnung. Ich wollte einer Spur nachgehen.« Um Marius herum wurde es plötzlich still.
Einige der Mitfahrenden schauten ihn neugierig an. Er musste mehr auf seine Wortwahl
achten.
»Was für eine Spur?«
»Es ist gerade schlecht.«
»Sitzt du in der 9?«
»Sitzen wäre schön.«
»Dann fahr durch bis zur Haltestelle
Kalk-Post und komm zu mir ins Büro. Wir müssen reden.«
Marius beendete das Gespräch. Am
Zülpicher Platz stiegen zwei Beamte der Bereitschaftspolizei mit ihren dunkelgrünen
Uniformen und den typischen Baretts ein und drängten sich in die Menge, die Umstehenden
kurz kritisch musternd. Der Detektiv tat es ihnen gleich, allerdings nur um sicherzugehen,
hier jetzt nicht noch auf einen seiner Bekannten zu treffen. Doch weder Maassen
noch Schweller waren zugestiegen. Die beiden Polizisten beachteten Marius nicht
weiter. Stattdessen unterhielten sie sich. Vermutlich ging es in erster Linie darum,
Präsenz zu zeigen, die weiterhin spürbare Angst vor einem weiteren Terroranschlag
zu besänftigen. Auch wenn Marius ebenso wie die beiden Beamten wusste, dass sie
im Zweifelsfall nichts ausrichten könnten. Erneut klingelte sein Handy und wieder
nestelte er es aus der Jackentasche, dieses Mal rammte er allerdings aus Versehen
einem der beiden Polizisten den Ellbogen in den Rücken. Er entschuldigte sich und
nahm Paula Wagners neuerlichen Anruf entgegen.
»Komm nicht ins Büro. Wir treffen
uns auf der dritten Ebene des Parkhauses gegenüber. An meinem Wagen.«
Eine
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