König 01 - Königsmörder
immer nicht um, sondern tat so, als müsse er die wartenden Becher bewachen, für den Fall, dass ihnen Flügel wuchsen und sie davonflogen. »Ich habe ihr alles erzählt. Ich musste es tun. Du wolltest es ja nicht tun.« Am liebsten wäre sie von ihrem Platz aufgesprungen und hätte mit den Fäusten auf ihn eingedroschen. »Du hattest kein Recht dazu! Ich bin die Erbin, nicht du. Es war an mir, davon zu erzählen, auf meine eigene Art und Weise und zu einem Zeitpunkt meiner Wahl! Du hast mir meine Gefühle für Asher verübelt, seit du davon erfahren hast. Vielleicht hatte er Recht. Vielleicht
bist
du eifersüchtig! Du…«
Jetzt drehte er sich doch um, und sein Gesicht war weiß vor Wut und Müdigkeit. »Eifersüchtig? Bilde dir nur ja nichts ein! Glaub mir, Asher kann dich mit Freuden haben, hochmütiges, überhebliches Weib, das du bist! So überzeugt davon, dass du unbesiegbar bist, nur weil du die Erbin bist! Nun, du bist
nicht
unbesiegbar. Dies hier hast du nicht kommen sehen. Du hast nicht gesehen, dass er ihre Magie in sich trug und vielleicht keinen Funken von unserer. Und du wolltest nicht zuhören, als ich wieder und wieder gesagt habe, dass man ihn einweihen müsse. Wenn wir ihn eingeweiht hätten, wäre er nicht in diesem Schlamassel!«
Einen Moment lang konnte sie kaum atmen. Matt hatte noch
nie
so mit ihr gesprochen.
Niemand
sprach so mit ihr. »Das kannst du nicht wissen!«, zischte sie ihn an. »Du weißt nicht alles! Wenn wir ihn eingeweiht hätten, hätten wir die Dinge nur schlimmer gemacht!«
»Wie hätten sie denn noch schlimmer werden können?«, rief er. »Asher wird sterben!«
»Das reicht jetzt«, sagte Veira und schlug scharf mit der Hand auf den Tisch. »Kein Wort mehr. Ich bin zu alt für diese Streitereien, und außerdem ändert es nichts daran, was geschehen ist.
Es hat Fehler auf beiden Seiten gegeben, die nicht ungeschehen gemacht werden können.« Ihr freundliches Gesicht war starr vor Missbilligung. »Dathne, du hast kein Recht, über Matthias herzufallen. Ja, er hat mir von all deinen wirrköpfigen Taten erzählt und dann die doppelte Zeit darauf verwandt, Entschuldigungen für dich vorzubringen. Er ist ein guter und treuer Freund, mein Mädchen. Ein besserer, als du ihn verdient hast.«
Heiß von Scham und wütender Verlegenheit, starrte Dathne auf den welligen Kiefernboden. Sie konnte sich nicht dazu überwinden, Matt anzusehen. »Es tut mir leid.« Ihre Stimme klang sehr leise in der Küche des Steinhauses. Leise und wenig bemerkenswert. Ganz und gar nicht die Stimme einer alles sehenden Pro– phetin. Sie hob den Blick. »Ich bin einfach müde und mache mir Sorgen. Ich bin froh, dass Matt zu dir gekommen ist, Veira. Anderenfalls wäre er in Gefahr gewesen.«
Veira rümpfte die Nase. »Oh, er ist immer noch in Gefahr, Kind. Wir alle sind in Gefahr.« Sie wandte sich wieder zu Matt um. »Ist dieser Tee schon fertig, mein Junge?«
»Fast«, antwortete er und zog einen Stuhl für sie heran. »Setz dich. Ich werde den Rest erledigen. Möchtest du auch Kekse?«
Veira nahm mit einem Seufzer Platz. »Natürlich gibt es Kekse. Ohne Kekse wäre der Tee kein Tee.«
Mit einem flüchtigen Grinsen öffnete er einen Schrank und nahm einen großen, rotblau glasierten Tonkrug heraus. Aus einem anderen Schrank holte er ein Töpfchen Honig, nahm Teelöffel aus einer Schublade, zog einen Krug Milch unter der Spüle hervor und stellte alles auf den Tisch.
Dathne starrte ihn an. »Nun! Du fühlst dich hier ja ganz wie zuhause!« Er runzelte abermals die Stirn und wandte sich ab, um den Tee in der Kanne sanft hin und her zu schwenken. »Mir blieb nichts anderes übrig, oder? Nachdem ich aus meinem eigenen Haus hinausgeworfen wurde.«
Sie errötete. »Matt…«
Veira klopfte mit den Knöcheln auf den Tisch. »Genug, habe ich gesagt! Flüsse fließen nicht rückwärts.«
Solchermaßen zurechtgewiesen, presste Dathne die Lippen fest zusammen und beobachtete stattdessen Matt, wie er den Tee einschenkte. Trotz allem tat es gut, ihn zu sehen. Er hatte den Geruch von Pferden verloren und roch jetzt nach Honigkiefer und Bienenwachs. Sein Gesicht war schmaler geworden und von Linien durchzogen, die sie noch nie zuvor dort gesehen hatte. Außerdem verströmte er eine Traurigkeit, die ebenfalls neu war. Das war ihr Werk. Mit einem Mal war ihr die Kehle wie zugeschnürt, und sie drehte sich zu Veira um. »Also… weißt du alles?«
Veira zog die Augenbrauen hoch. »Alles, was Matthias wusste, ja.
Weitere Kostenlose Bücher