König 01 - Königsmörder
Unfall, der die mit Leidenschaft erwartete Enthauptung verhinderte. Genauso wenig wollten sie, dass sie versehentlich selbst getroffen wurden.
Schwebend auf einem sich ständig verlagernden Meer von Erinnerungen, eingehüllt in eine scharfe Glasdecke aus Schmerz, ließ Asher sich treiben und betete, dass er, wenn er das nächste Mal die Augen aufschlug, tot sein würde. Gar wurde vom Klirren der Vorhangringe auf ihren dicken Messingstangen und einer unwillkommenen Stimme geweckt. »Eure Hoheit? Eure Hoheit.« Er drehte den Kopf auf dem Kissen und runzelte die Stirn. Was? Irgendetwas stimmte nicht. Seit wann war sein Kissen aus Holz? Irgendjemand war in sein Schlaf gemach geschlichen und hatte sein Kissen in
Holz
verwandelt. Und dann hatte er es flach gedrückt …
Er öffnete die Augen und blinzelte in den bleichen, morgendlichen Sonnenschein, der wie Gaze über seinem Gesicht lag. Oh. Er war nicht in seinem Schlafgemach, sondern in seiner Bibliothek. Das Kissen war tatsächlich sein Schreibtisch, an dem er irgendwann im Laufe der Nacht eingeschlafen war, während er seine Suche nach Barls Tagebuch fortgesetzt hatte.
Seine fruchtlose Suche. Wenn es das Tagebuch tatsächlich gab, hatte er es unter Durms Büchern nicht gefunden. Es musste in Durms Arbeitszimmer sein. Falls es existierte…
Langsam kamen ihm Zweifel daran. Er begann zu glauben, dass das Tagebuch nichts war als eine Ausgeburt von Durms sterbendem Geist. Dass alle Hoffnung für ihn, für Asher, für das ganze Königreich wahrhaft tot war.
Er richtete sich auf und stöhnte, als jeder Muskel gegen seine ungewöhnliche Matratze protestierte. Seine Augen brannten, er hatte einen Geschmack wie von alten Socken im Mund, und sein Kopf schmerzte, als steckten Nägel darin. Das Sonnenlicht war ein Hammer, der auf seinen Schädel einschlug…
»Wahrhaftig, Eure Hoheit«, sagte Darran aufgeregt. »Ihr habt Euer Abendessen kaum angerührt!«
Er rieb sich die Augen und betrachtete das unbeachtete Tablett mit kalt gewordenem, gebratenem Lamm und matschigen Karotten, das auf dem Boden stand. »Ich hatte keinen Hunger. Wie spät ist es?«
»Viertel nach sieben«, erwiderte Darran und hob das Tablett auf. »Ich habe Euch ein Bad eingelassen, Herr. Bitte, nehmt es, und bis Ihr fertig seid, wird Euer Frühstück bereit stehen.«
Sein Magen krampfte sich zusammen. »Ich habe immer noch keinen Hunger.« »Hunger hin, Hunger her, Eure Hoheit, Ihr dürft nicht das Abendessen
und
das Frühstück auslassen!«
Er stöhnte abermals. »Ihr verwandelt Euch direkt vor meinen Augen in ein altes Weib, Darran.«
Darran rümpfte die Nase. »Nun, wenn ich das tue, Herr, beschleunigt Ihr die Verwandlung. Und nun kommt! Hoch mit Euch! Euer Badewasser wird kalt.« Offensichtlich gab es kein Entrinnen, es sei denn, er entließ den alten Mann. Ein verführerischer Gedanke, aber er würde es nicht tun. Stattdessen stieß er mit finsterer Miene seinen Stuhl zurück und taumelte nach oben in sein Badezimmer, in dem tatsächlich ein heißes Bad wartete. Darran hatte ihm sogar frische Kleidung herausgelegt.
Er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
Dennoch. Das heiße, mit Duftölen versetzte Bad tat seinen verkrampften, müden Muskeln gut. Er ließ sich in das parfümierte Wasser sinken und wartete darauf, dass die Wärme ihn durchströmte. Dass seine Kopfschmerzen verebbten und seine Anspannung nachließ.
Aber nein. Jetzt, da er wach war und um ihn herum Stille herrschte, kamen noch mehr unangenehme Gedanken. Wenn Barls Tagebuch doch existierte und irgendwo in Durms Arbeitszimmer versteckt war, statt in seiner Büchersammlung, durfte er hoffen, es dort zu finden? Ohne mit Conroyd zusammenzustoßen? Ohne den Bastard auf seine verbotenen Wanderungen aufmerksam zu machen und zu riskieren, dass seine eingeschränkte Freiheit ihm zur Gänze genommen wurde? Er versuchte, sich Wachen in Conroyds Sold vorzustellen, die sich in seinem Turm zusammendrängten und jeden Schritt zählten, den er machte, jeden Atemzug, den er tat, und er musste sich von dieser Fantasie abwenden. Bei der bloßen Vorstellung wurde ihm übel.
Aber er musste das Risiko eingehen. Wenn er es nicht tat, würde er wahrhaft und für immer Gar der Magielose sein und ein Leben in Gefangenschaft in einem Königreich führen, das von dem falschen Mann regiert wurde. Ein Leben voller unerträglicher Schuld und Gram. Ganz gleich, was er tun, welchen Preis er zah– len musste, er musste glauben, dass es das Tagebuch
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