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König 01 - Königsmörder

König 01 - Königsmörder

Titel: König 01 - Königsmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Miller
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sich. Ihre Züge wurden weicher, und Erleichterung und Kummer spiegelten sich darin – und noch etwas anderes. Etwas, über das er nicht nachdenken wollte, über das er nicht nachzudenken wagte.
    Während er sich umdrehte, wusste er bereits, wen er sehen würde. Asher. Er kam auf den Hof geschlurft wie ein Mann, der eine Woche lang durch unwirtliches Terrain marschiert war.
    Er hörte, wie sie die Luft einsog, trat beiseite und ließ sie vorbeigehen. Dünn und erschöpft von Sorge, trat sie vor Asher hin. »Matt hat es mir erzählt«, sagte sie. »Geht es dir gut?«
    Die Frage schien Asher zu überraschen, als sei die Sorge um sein eigenes Wohlergehen das Letzte, was er erwartet hatte. Er zuckte die Achseln. »Ja.« »Und was ist mit dem Prinzen?«
    »Er wird überleben. Ich habe ihn im Turm ins Bett gebracht.«
    »Gelobt sei Barl.« Sie sah zu Boden und dann in sein Gesicht. »Und es ist wahr? Sie sind wirklich tot?«
    »Ja«, sagte er noch einmal. »Sie sind wirklich tot.«
    Als hätte sich durch das Aussprechen der Worte etwas verändert, zerbrach seine gelassene Haltung. Sein Gesicht verfiel, wurde um Jahre jünger, verwandelte sich in das Gesicht eines Knaben, der unerträglichen Schmerz litt. Matt spürte, wie sein eigenes Gesicht sich mitfühlend verzog.
    Dathne streckte die Arme aus. Asher ging dankbar auf sie zu und hielt sie umfangen wie ein Mann, der zu stürzen fürchtete. Die Art, wie sie ihn umarmte, war nicht weniger verzweifelt.
    Dieses Bild weckte in Matt ungezählte Ängste. Dathnes Gesicht war vor ihm verborgen, und er war froh darüber, denn er konnte auf diese Weise Ashers Gesicht sehen – und es sagte ihm alles, was er zu wissen brauchte. Mehr, als er jemals hätte wissen wollen.
    »Jervale steh uns bei«, sagte er – aber so leise, dass sie ihn nicht hören konnten. »Bitte. Und sage mir, was ich jetzt tun soll.«
    Am nächsten Morgen erwachte Asher voll bekleidet mit dem Gesicht nach unten auf seinem Bett. Lange Augenblicke blieb er einfach dort liegen und versuchte, sich zu besinnen. Sein Kopf fühlte sich schwer und hölzern an, und er hatte einen Geschmack wie von Muschelabfällen im Mund. Sein Haar war verfilzt von getrocknetem Schweiß, und seine Kopfhaut juckte. Er hatte Schmutz unter den abgerissenen Fingernägeln. Schmutz auch auf seinen Hemdsärmeln, ebenso wie getrocknetes Blut. Sein Kopf und seine Schultern schmerzten, und seine Hände waren übersät von Schnittwunden. Was zum…
    Und dann brach eine Woge der Erinnerung über ihm zusammen, und bruchstückhafte Bilder stiegen in ihm auf.
Borne. Dana. Fane. Das tote, braune Kutschpferd. Gars Gesicht. Dathne…
    Er drehte sich stöhnend um und starrte zu der hellblauen Decke seines Schlafgemachs auf. Dann stöhnte er noch einmal, als aus gelindem Ungemach tosender Schmerz wurde. Alles tat ihm weh. Der Raum schien zu kippen, und er klammerte sich an seine Decken und wartete darauf, dass die Welt um ihn herum aufhörte, sich zu drehen, damit er klarer denken konnte.
    Nach seinem Besuch in den Ställen, nach der Begegnung mit Dathne –
wie sie ihn im Arm gehalten und ihn getröstet hatte, die Wärme ihrer Hand auf seiner Wange und das Kitzeln ihres Atems auf seiner Haut
–, war er in den Turm zurückgetaumelt. Gar hatte verlangt, in Ruhe gelassen zu werden; er hatte beteuert, dass es ihm gut gehe, aber Asher hatte sich selbst davon überzeugen wollen. Niemand konnte mit einem Schlag seine ganze Familie verlieren, ohne Schaden zu leiden, nicht einmal jemand, der gewohnheitsmäßig so kühl und beherrscht war wie der Prinz von Lur.
    Aber Gar hatte die Haupttüren seiner Gemächer verschlossen und nicht reagiert, ganz gleich, wie heftig Asher am Glockenseil gezogen und wie laut er gegen das geschnitzte Holz gehämmert hatte. Um die Wahrheit zu sagen, es hatte ihm nicht leidgetan. Er hatte für eine Nacht selbst genug gehabt.
    Also war er wieder nach unten gegangen, bis hinab in die unterirdisch gelegene, verlassene Küche des Turms, wo er seinen leeren Magen mit diesem und jenem aus der kostbaren Speisekammer der Köchin gefüllt hatte. Dann war er wieder in sein Zimmer hinauf getaumelt und hatte eigentlich die Absicht gehabt, noch eine Weile still dazusitzen und zu versuchen, über dieses Unglück und seine möglichen Konsequenzen für sich selbst und das Königreich nachzudenken. Stattdessen musste er eingeschlafen sein.
    Das war kein Grund, sich schuldig zu fühlen, sagte er sich streng. Die Toten waren tot. Die Lebenden mussten

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