König 01 - Königsmörder
von den Strömen des Regenwassers, das durch die schmaleren Straßen wogte. Um einige der Leichen kümmerte sich niemand, andere lagen in den Armen weinender Angehöriger. Olken und Doranen, dieser Wahnsinn verschonte niemanden. Ebenso wenig wie Magie sie hätte retten können.
Die meisten seiner Wachen hatten ihre Posten verlassen. Einige waren mit Familie und Freunden aus der Stadt geflohen, davon überzeugt, dass direkt hinter der nächsten Biegung, in der nächsten Stadt oder dem nächsten Dorf Sicherheit und Vernunft warteten. Die wenigen, die zurückgeblieben waren, waren tot oder hatten sich auf dem Marktplatz versammelt, um zu beten, und auch diese Männer hatten seine flehentlichen Bitten, ihren Pflichten und ihrem Eid treu zu bleiben, ignoriert.
Im Grunde konnte er ihnen keinen Vorwurf daraus machen. Wenn er eine Familie gehabt hätte, hätte er alle Gedanken an Pflicht vielleicht ebenfalls über Bord geworfen. Wäre fortgelaufen oder hätte sich der Menge auf dem Marktplatz angeschlossen, auf dem Barlsmann Holze während des ganzen vergangenen Tages flehentliche Gebete um Erlösung angestimmt hatte.
Aber die Erlösung schien nicht zu kommen. Dorana war dem Untergang geweiht und das ganze Königreich mit ihm.
Beinahe zu erschöpft, um sich zu bewegen, ging er die Treppe hinunter in die verlassene Haupthalle des Wachhauses, wo Ox Bunder treu auf seinem Posten blieb.
»Hauptmann!« Bunder runzelte die Stirn. »Wo ist Eure Schlinge, Herr? Diese Schulter ist noch nicht einmal ansatzweise verheilt.«
»Meine Schulter ist das Geringste meiner Probleme«, erwiderte er müde. »Ox, Ihr habt eine junge Familie, die auf Euch wartet. Warum geht Ihr nicht? Ich werde hierbleiben, obwohl ich nur herzlich wenig ausrichten kann.«
»Nein, Herr«, erwiderte Bunder. Halsstarrig bis zum Schluss. »Ich habe eine Pflicht zu erfüllen.«
Bis zu diesem Tag hatte er Bunder nie besonders gemocht; jetzt brach ihm beinahe das Herz, so groß war seine Liebe zu ihm. »Nein, mein Freund, Ihr habt Eure Familie. Geht zu ihnen. Das ist ein Befehl.« Er streckte die Hand aus. »Und viel Glück.«
Hin– und hergerissen zwischen Schuldbewusstsein und Erleichterung, ergriff Bunder seine Hand. »Ja, Herr. In Ordnung.«
Orrick ging mit ihm hinaus. Seine schöne Stadt stank nach verbrannten Knochen und Tod. An den Toren des Wachhauses blieb er stehen, klopfte Bunder auf den Rücken und beobachtete, wie der Mann sich einen Weg durch das Gedränge bahnte, zwischen verängstigten Tieren und Trümmern hindurch. Ein scharlachroter Blitz zerriss den Himmel und schoss mit willkürlicher Heftigkeit zu Boden. Der Goldene Gockel zerbarst. Ein gutes Dutzend Menschen starben in dem Gasthaus, zerquetscht und zerbrochen von umherfliegendem Mauerwerk, noch während sie schreiend zu fliehen versuchten. Aber in der Mitte des Platzes harrten Bürger mit mehr Glauben als Verstand tapfer aus, den Blick fest auf Holze auf den Stufen der Barlskapelle gerichtet, während sie halsstarrig den verzweifelten Gebeten des Geistlichen folgten.
Einige Menschen kletterten sogar in den Springbrunnen des Bittstellers. Andere scharten sich um die Grünsteinstatue Barls und streichelten ihre Hände, ihre Füße, die Falten ihrer Robe. Flehten sie mit hohen, schrillen Stimmen an, sie zu schützen, sie zu retten, ihnen zu vergeben.
Ihnen was zu vergeben? Welche Sünde konnte eine so harte Vergeltung rechtfertigen? Er war ein Wachmann, er erkannte ein Verbrechen, wenn ihm eines begegnete. Die Menschen von Lur hatten nichts getan – nichts! –, mit dem sie die Gräuel, die er beobachtet hatte, verdient hätten. Das Blutbad, das noch bevorstand.
Sein Leben lang hatte er sich für einen gläubigen Mann gehalten. Aber was war es, woran er geglaubt hatte? Eine kalte, steinerne Statue? Eine Frau, die vor über sechshundert Jahren gestorben war, so jung, dass sie beinahe seine Tochter hätte sein können? Magie?
Sechs lange Jahrhunderte hatte man den Olken erzählt, die Doranen seien anders. Stärker. Besser. Aber heute lagen auf den Straßen ebenso viele tote Doranen wie Olken. Ihre Magie hatte sie nicht gerettet.
Sie rettete niemanden.
Ebenso wenig wie die Gebete es taten.
In diesem Moment durchstach eine weitere scharlachrote Lanze den Himmel und legte Barls Statue in Schutt und Asche. Scherben zerbrochenen Grünsteins peitschten durch die Menge. Schreie wurden laut. Blut floss. Noch mehr Tote, noch mehr Verletzte.
Er dachte flüchtig an Asher – aber Hilfe aus
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