König 01 - Königsmörder
habe Barl versprochen, ihr Volk mit meinem Leben zu schützen – und das ist das eine Versprechen, das ich zu halten gedenke. Ich mag ein magieloser Krüppel sein, aber ich bin immer noch Lurs König. Ich werde nicht zulassen, dass mein Vermächtnis eine Abfolge gebrochener Versprechen ist. Mein Vater hat mich etwas Besseres gelehrt. Ich habe es dir irgendwann einmal erklärt, ich habe ein Schicksal. Erinnerst du dich? Nun, dies ist es.« Dann blickte er auf, und sein Gesicht war so steinern wie ein Bildnis. »Versuch nicht, mich aufzuhalten, Asher. Ich werde dich hassen, wenn du es tust.«
»Und wenn Ihr mich zwingt, bei diesem Wahnsinn mitzumachen, werde
ich Euch
hassen!«
Ein verzerrtes Lächeln spielte um Gars Lippen. »Du hasst mich auch jetzt schon.« »Dann werde ich Euch noch
mehr
hassen!«
Ein weiteres gleichgültiges Achselzucken. »Hasse mich, so viel du willst. Es ändert nichts. Asher, es gibt keine andere Möglichkeit, und uns geht die Zeit aus…«
Gefangen. Er war gefangen, und es gab kein Entrinnen. Der Bastard. »Dies hier werde ich Euch nie verzeihen, Gar«, flüsterte er. »Niemals.«
»Das weiß ich bereits«, sagte Gar. »Jetzt halt den Mund und hör zu. Uns bleiben nur noch Augenblicke. Alles, was ich dich im Wagen gelehrt habe, gilt nach wie vor. Einzig die Art, wie du den Zauber sprichst, hat sich verändert. Du hältst mich an der Schulter fest, und du
lässt nicht los.
Verstehst du mich? Wenn du mich loslässt, wird der Zauber versagen, und Morg wird
ewig
leben.« Er fühlte sich taub. Ihm war schwindelig. »Nur über meine Leiche.« »Nein«, erwiderte Gar, ohne zu lächeln. »Über meine.« Darauf wusste Asher keine Antwort.
Mit unverändert ernster Miene griff Gar in seine Jacke und zog das vom Alter fleckige Tagebuch heraus, mit dem dieser ganze Schlamassel begonnen hatte. Zwischen den Seiten steckten hier und da Papierfetzen. Als Gar auf das Buch hinabblickte, wurde sein Gesichtsausdruck weicher. »Ich habe Barls Tagebuch mitgenommen. Es tröstet mich irgendwie, obwohl ich weiß, dass das für dich keinen Sinn ergibt.« Er hielt es ihm mit unsicherer Hand hin. »Nimm es. Bewahre es. Es ist das Letzte, was die Welt von einer großartigen, wunderbaren Frau hat, die ihr Leben für etwas gegeben hat, das größer und besser war als sie selbst. Lass sie nicht in Vergessenheit geraten. Bitte.«
Widerstrebend nahm Asher das Tagebuch entgegen und steckte das verdammte Ding in sein Wams. Gars Gesicht war zu schrecklich, um es anzusehen. »Was jetzt?«, murmelte er.
»Jetzt legst du eine Hand auf meine Schulter – und wir beenden, was Morg begonnen hat.«
»Und Ihr seid Euch sicher, dass dies funktionieren wird? Ihr habt es selbst gesagt, Ihr seid ein magieloser Krüppel, was ist, wenn…«
Gar reckte das Kinn vor, und sein Gesicht war jetzt voller Stolz. »Du hast es besser ausgedrückt. Ich bin der Gelehrte. Vertrau mir, Asher. Dies wird funktionieren.«
Seite an Seite gingen sie zum Eingang der Gasse.
»Beginne die Beschwörung«, flüsterte Gar. »Aber sorg dafür, dass wir bis zum allerletzten Wort verborgen bleiben. Dann werden wir ihm gegenübertreten. Vergiss nicht: Du musst seine Augen sehen. Und um Barls willen, Asher…« »Ich weiß, ich weiß, verdammt, ich weiß! Was immer ich tue, ich darf nicht loslassen!«
Die Worte des Zaubers waren immer noch da. Warteten immer noch. Er holte tief Luft und stieß sie sachte wieder aus. Dann krampfte er die Finger um Gars ruhige Schulter.
»Senusartarum!«
Er zeichnete das erste Siegel.
»Belkavtavartis!«
Das zweite Siegel, dann das dritte.
»Kavartis thorsatis domonartis ed…«
Diesmal war es anders. Die Magie entzündete sich, dunkel und schrecklich, und setzte seine Knochen in Brand. Den linken Arm auf Schulterhöhe gehoben, die Finger gespreizt, trat Gar mit geschmeidigen Bewegungen aus dem Schatten. Zitternd, brennend folgte Asher ihm.
Morg stand oben auf der Treppe der Halle der Gerechtigkeit; seine Kleidung war wieder so makellos und glitzernd wie zuvor. Er sah sie und lachte, gewappnet mit strahlender Macht.
»Da
seid Ihr also! Und seht Euch nur an!
Seht Euch an!
Der kleine Krüppel und sein zahmer Olk halten am Abgrund des Todes Händchen! Wie poetisch! Wie romantisch!« Er hob die Arme und warf den Kopf in den Nacken. Unheilvolles, grünes Feuer knisterte um ihn herum und entzündete die dumpfige Luft. »Oh, was für eine wunderbare Art zu sterben! Ihr beide zuerst und dann alle, die noch übrig sind. Oder
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