König Artus
Hälfte überarbeitet und mir die Sache wieder anders überlegt. Die Frau eines der Lehrer an der King’s School kann gut tippen. Ich möchte den Text abgetippt sehen, ehe er an Sie abgeht. Ich werde sie bitten, vier Kopien zu machen. Dann ist es natürlich noch keine Endfassung, aber im getippten Zustand wird es viel besser aussehen. Damit bekommen Sie etwas zum Anfassen, etwas, womit Sie spielen können. Ich habe jetzt ein kleines Tonbandgerät, auf dem ich zurückspulen kann. Es vermittelt mir einen viel besseren Eindruck von den Wörtern, wenn ich den Text abhöre. Ich spüre Fehler auf, von deren Vorhandensein ich nichts geahnt hatte. Mein Gott, welche Ausmaße diese Sache in meinem Kopf annimmt! Es ist unmöglich, den Merlin in die Form einer dichten Short story zu bringen. Er ist in einem gewissen Maß episodisch. Aber ich bemühe mich, ihm Kontinuität, Glaubwürdigkeit, Stimmungsdichte und Gefühlsgehalt zusammen mit einer Art Erklärung seiner Existenz zu geben. Im Grunde geht es um die Bildung eines Königtums. Erinnern Sie sich, daß ich immer wieder geschrieben habe, Malory habe sich in diesem Teil nicht wohl gefühlt? Nun, so ist es mir auch ergangen. Aber so wie er dabei lernte, lerne jetzt auch ich. Und ich habe bei diesem Stoff ein Gefühl der Freiheit, wie ich es noch nie hatte. Ich hoffe sehr, daß es Ihnen gefallen wird. Ich glaube, es ist gut geschrieben – auf seine Art so gut, wie Malorys Buch es auf seine Art war. Ich bin in Hochstimmung.
AN ERO UND CHASE – SOMERSET, 20. APRIL 1959
Ich habe den Anfang vom Merlin geschrieben. Das Ganze sollte vielleicht durchgesehen und noch einmal geschrieben werden. Ich habe so viel über meine eigene Arbeitsweise gelernt, daß die frühen Teile gewissermaßen schon veraltet sind. Das passiert wohl immer. Jedenfalls, ich werde mir überlegen, was ich daran tun möchte, bevor ich es abschicke. Was ich mache, gefällt mir noch immer. In London habe ich eine Zeichenplatte bestellt, die man kippen kann. Mein Rücken und Hals ermüden zu rasch.
AN ERO UND CHASE – SOMERSET, APRIL 1959
Was geht im Kopf eines Mannes vor, der schreibt – Romancier oder Kritiker? Schreibt ein Schriftsteller nicht auf, was ihn am stärksten geprägt hat, in der Regel in sehr frühen Jahren? Hat ihn der Heroismus beeindruckt, dann schreibt er darüber, und waren die stärksten Eindrücke Enttäuschung und ein Gefühl der Entwürdigung – dann ist das sein Thema. Und sollte die tiefste Regung der Neid gewesen sein, muß er alles angreifen, was er für den Erfolg hält, den er selbst ersehnt.
Vielleicht liegt irgendwo auf diesem Terrain auch der Grund meines Interesses und meiner Freude an dem, was ich tue. Malory lebte in einem Zeitalter, so brutal und gnadenlos und korrupt, wie die Welt nur jemals eines hervorgebracht hat. Im Morte verharmlost er diese Dinge keineswegs, die Grausamkeit und die Gier und die Mordlust und den kindlichen Egoismus. All das ist da. Aber er läßt nicht zu, daß es die Sonne verdunkelt. Seite an Seite damit finden sich Hochherzigkeit und Tapferkeit und Größe und die gewaltige Traurigkeit des Tragischen an Stelle frustrierter Mickrigkeit. Und vermutlich das macht ihn zu einem großen Schriftsteller, Williams hingegen nicht. Ein Autor mag noch so glanzvoll einen Teil des Lebens darstellen – wenn die Sonne erlischt, hat er nicht die ganze Welt gesehen. Tag und Nacht, sie existieren beide. Das eine oder das andere zu ignorieren, heißt, die Zeit zweizuteilen und nur einen Teil davon zu wählen, so wie man, wenn es um eine Entscheidung geht, von zwei Zündhölzern das kürzere zieht. Ich habe viel für Williams übrig und bewundere sein Werk, aber so wie er nur ein halber Mann ist, ist er auch nur ein halber Schriftsteller. Malory war ein ganzer. In der gesamten Literatur gibt es nichts Abstoßenderes als den Kindermord, den Arthur ins Werk setzt, weil eines dieser Kinder ihn vielleicht töten wird, wenn es herangewachsen ist. Williams und viele andere unserer Zeit würden es dabei bewenden lassen und sagen: »So ist es nun einmal.« Wenn Arthur seinem Schicksal begegnet, sich dagegen zur Wehr setzt und es zugleich auf sich nimmt – das in seiner herzzerreißenden Großartigkeit zu gestalten, wäre ihnen niemals möglich gewesen. Wie kann es sein, daß wir so vieles vergessen haben? Wir produzieren talentierte Pygmäen wie Hofnarren, die erheiternd wirken, weil sie Größe mimen; sie – ich sollte sagen: wir – bleiben aber trotzdem Zwerge. Ein
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