König Artus
abschicken.
AN ERO UND CHASE – SOMERSET, 13. MAI 1959
Dann Ihre Bemerkungen zu dem Ihnen zugeschickten Abschnitt und der Umstand, daß Chase fast gar nichts dazu sagt. Ich muß mir meine Antwort sehr genau überlegen und darf nicht in Unklarheiten abrutschen. Zu behaupten, ich sei nicht betroffen gewesen, wäre unwahr. Ich war es. Ich frage mich, ob vielleicht die 3000 Meilen zwischen uns etwas ausmachen. Es liegt auf der Hand, daß ich meine Absicht nicht verständlich machen konnte, ich zweifle aber, ob ich es an Ort und Stelle gekonnt hätte. Begreiflicherweise suche ich nach Argumenten zu meiner Verteidigung beziehungsweise zur Rechtfertigung der Arbeit, so wie ich sie angehe. Lassen Sie mich als erstes sagen, ich bin hoffentlich zu professionell, um mich von dem Schock lähmen zu lassen. Die Antwort scheint darin zu liegen, daß Sie etwas Bestimmtes erwartet hatten, aber nicht bekommen haben. Daher ist es Ihr gutes Recht, verwirrt und enttäuscht zu sein, wie Sie schreiben. Ich hatte Ihnen nie meinen Plan dargelegt, vielleicht weil ich mich noch vorantastete. Ich kann darauf hinweisen, daß dies ein unkorrigierter erster Entwurf ist, dazu gedacht, Stil und Arbeitsweise festzulegen, und daß die Schnitzer und Irrtümer später beseitigt werden, doch damit ist es nicht getan. Vielleicht nahm ich an, ich hätte Ihnen gesagt, daß es mir im Augenblick darum geht, nicht den ganzen Zyklus mit den tausend Verzweigungen, zu dem er geführt hat, zu bringen, sondern mich dicht an Malory zu halten, der im 15. Jahrhundert schrieb. Und all die Lektüre, die ganzen Recherchen waren nicht umsonst, weil ich bei Malory Dinge sehe und zu verstehen glaube, die ich vorher nicht hätte sehen können. Und schließlich hatte ich keineswegs die Absicht, den Text in die Umgangssprache des 20. Jahrhunderts zu transponieren, sowenig wie Malory ihn in die des 15. Jahrhunderts brachte. Auch damals sprachen die Menschen nicht so. Übrigens sprachen die Leute auch nicht so, wie Shakespeare sie sprechen läßt, außer in den Rüpelszenen. Das sind, ich weiß, alles negative Argumente.
Ich weiß, Sie haben T. H. Whites Once and Future King gelesen. Es ist ein wunderbar ausgedachtes Buch. Alles, was Sie in meiner Umarbeitung gerne gefunden hätten, finden Sie dort im höchsten Grad. Aber so etwas hatte ich nicht vorgehabt, und möchte ich, denke ich, auch jetzt nicht.
Wo beginnt der Mythos – die Sage? Hinter der keltischen Version erstreckt sie sich zeitlich zurück nach Indien und vermutlich sogar in eine noch frühere Zeit. Während ihrer Wanderung teilt sie sich in mehrere Ströme auf – ein Teil geht nach Griechenland, ein Teil taucht im semitischen Bereich auf, ein anderer gelangt durch Georgien und Rußland und Deutschland nach Skandinavien und füllt sich mit nordischem Sagengut auf, und ein anderer Teil erscheint in Iberien und im keltischen Gallien und strömt nordwärts nach Britannien, Irland, Schottland, von wo er nach einer Inkubationszeit wieder in alle Himmelsrichtungen hinauszieht. Wo soll man eine Schranke setzen, eine Grenze ziehen? Ich entschied mich dafür, mit Malory zu beginnen, der am besten schrieb, besser als die Franzosen, besser ist als die Teile aus [der Sammlung] Mabinogion und unserem allgemeinen Verständnis heute näher. White hat die Geschichte in brillanter Weise in die Dialekte des England der Gegenwart übertragen. Ich wollte das nicht. Ich wollte ein Englisch, weder zeit- noch ortsgebunden, so wie es die Sage selbst ist. Die Menschen der Sage sind keine Menschen, wie wir sie kennen. Sie sind Figuren. Christus ist keine Person, er ist eine Figur. Buddha ist ein hockendes Symbol. Als Person ist der Arthur bei Malory ein Narr. Als Sagengestalt ist er zeitlos. Man kann ihn nicht vom Menschlichen her erklären, sowenig wie man Jesus erklären kann. Als Mensch ist Jesus ein Narr. Zu jedem Zeitpunkt in seiner Geschichte hätte er die Entwicklung aufhalten oder in eine andere Richtung lenken können. Er hat in der ganzen Folge der Ereignisse nur einen einzigen menschlichen Augenblick – das »lama asabthani«, wenn die Qual übermächtig wird. Es ist dem Helden wesenseigen, ein Narr zu sein. Der heutige literarische Prototyp, der Sheriff im Western, wie ihn Gary Cooper verkörpert, ist unweigerlich ein Narr. Er wäre ein armseliger Wicht, wenn er klug wäre. Die Klugheit, ja, sogar die Weisheit ist in allen Mythen dem Schurken vorbehalten. Ich schreibe diesen Text nicht, damit er angenehm für das Ohr des
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