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König Artus

König Artus

Titel: König Artus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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sie als ungeduldiges Mädchen Merlin erst um seine Geheimnisse und dann ums Leben gebracht hatte. Damals hatte sie zügellos nach Macht und Ruhm gestrebt. Doch in den seither vergangenen Jahren hatte ihre Macht ihr selbst Zügel angelegt. Sie verstand, Dinge zu bewirken, zu denen gewöhnliche Menschen nicht imstande waren, doch dies machte sie nicht frei, sondern zur Sklavin jener, die sich selbst nicht helfen konnten. Mit ihrer Gabe zu heilen wurde sie zur Dienerin der Kranken, ihre Macht über das Glück band sie an die Unglücklichen, während ihr Wissen, das sie alles Böse erkennen ließ, sie immer wieder aufs neue in einen Krieg gegen die ehrgeizigen Ränke von Habgier und Verrat verwickelte. Dazu kam aber auch noch die traurige Erkenntnis, daß ihre Stärke sie zwar an die Schwachen und Betrübten band, diese jedoch nicht an sie, denn sie konnten keine Freundschaft anbieten, um damit die Schuld des Dankes abzutragen. So war sie allein und fühlte sich einsam, wurde gepriesen und war doch voll Trauer, und oft sehnte sie sich nach den alten Zeiten, als alle gleichermaßen am Schatz der Liebe und Güte teilhatten, denn niemand ist einsamer als der Mensch, der nur schenken kann, und niemand empfindet größeren Groll als jene, die nur empfangen und die drückende Schuld der Dankbarkeit hassen. Sie hielt sich nie lange an ein und demselben Ort auf, denn jedesmal wandelte sich die Freude über ihr Wirken in Unbehagen angesichts ihrer Macht.
    Als sie wieder einmal durch den Wald streifte, begegnete sie einem jungen Knappen, der weinte, und als sie sich nach dem Grund seines Kummers erkundigte, erzählte er, daß sein geliebter Herr von der Dame seines Herzens und einem Ritter betrogen worden sei und daß er gebrochen auf seinem Bett liege und mit ausgebreiteten Armen auf den Tod warte.
    »Führt mich zu Eurem Herrn«, sagte Nyneve. »Er soll nicht aus Liebe zu einer Unwürdigen sterben. Wenn sie mit der Liebe kein Erbarmen kennt, gebührt ihr als Strafe, daß sie selbst liebt und keine Erwiderung findet.«
    Dies hörte der Knappe mit Freude, und er führte sie an das Lager, auf dem Sir Pelleas fieberkrank, mit abgehärmten Wangen und starrenden Augen lag, und Nyneve glaubte, noch nie einen so stattlichen und schönen Ritter erblickt zu haben. »Warum wirft sich das Gute unter die Füße des Bösen?« sagte sie. Und sie legte ihm ihre kühle Hand auf die Stirn und spürte, wie das heiße Blut in seinen Schläfen pochte. Dann summte sie ihm leise und sanft ins Ohr und sprach ihm tröstend zu, bis ihr wiederholter Zauberspruch ihm Frieden und die Erquickung eines traumlosen Schlafes schenkte. Sodann gebot sie seinen Knappen, an seinem Lager zu wachen und ihn nicht zu wecken, ehe sie wiederkomme. Sie eilte zu Lady Ettarde, brach ihren Willen und führte sie an das Bett des schlafenden Pelleas.
    »Wie könnt Ihr es wagen, einem solchen Mann den Tod zu bringen?« sagte sie. »Für wen haltet Ihr Euch, daß Ihr keine Güte zeigen konntet. Ihr sollt jetzt den Schmerz fühlen, den Ihr anderen Menschen zugefügt habt. Schon spürt Ihr meinen Zauber und beginnt diesen Mann zu lieben. Ihr liebt ihn mehr als alles andere auf der Welt. Ihr liebt ihn. Ihr würdet für ihn sterben, so sehr liebt Ihr ihn.«
    Und Ettarde sprach ihr nach. »Ich liebe ihn. O Gott! Ja, ich liebe ihn. Wie kann ich lieben, was ich so gehaßt habe?«
    »Das ist ein kleines Stück von der Hölle, die Ihr anderen zu bereiten pflegtet«, sagte Nyneve. »Jetzt bekommt Ihr die Sache von der anderen Seite zu sehen.«
    Sie flüsterte lange ins Ohr des schlafenden Ritters, weckte ihn dann und trat beiseite, um zuzusehen und zuzuhören.
    Sir Pelleas warf wilde Blicke um sich. Dann erblickte er Ettarde, und während er sie ansah, wallte Haß in ihm auf, und als sich ihre Hand liebend nach ihm ausstreckte, wich er angewidert zurück und sagte: »Geht Eurer Wege. Ich kann Euren Anblick nicht ertragen. Ihr seid häßlich und schrecklich anzusehen. Geht und kommt mir nie wieder unter die Augen!«
    Weinend sank Ettarde auf den Boden. Dann hob Nyneve sie auf, führte sie aus der Zelle und sagte: »Nun kennt Ihr den Schmerz der Liebe. Genauso hat er durch Euch gelitten.«
    »Ich liebe ihn!« kreischte Ettarde.
    »Das werdet Ihr zeit Eures Lebens tun«, sagte Nyneve. »Und Ihr werdet mit Eurer verschmähten Liebe ins Grab sinken, vertrocknet, verdorrt. Geht jetzt! Euer Werk hier ist getan. Geht Eurem Tod in Staub und Asche entgegen.«
    Dann kehrte Nyneve zu Pelleas zurück

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