König Artus
schlafende Ritter. Im zweiten fand er vier Fräulein, die mit zerzausten Haaren selig schlummerten. Dann öffnete er die Stofftüre des dritten Zelts und sah seine Angebetete und Gawain eng umschlungen im tiefen, matten, satten Schlaf der Liebe.
Pelleas brach das Herz. »Er hat mich also verraten«, dachte er. »War sein Verrat geplant, oder wurde er durch einen Zauber dazu gebracht?« Er schlich in tiefem Schmerz davon und stieg auf sein Pferd. Als er eine halbe Meile weit geritten war, das Bild des Paares hinter ihm vor seinen Augen, stieg der Zorn in ihm hoch. »Er ist nicht mein Freund«, dachte er. »Er ist mein Feind. Ich reite jetzt zurück und töte ihn, weil er sein Versprechen gebrochen hat. Ich sollte sie beide erschlagen.« Er wendete sein Pferd und begann den Weg zurückzureiten, den er gekommen war. Doch viele ehrenvoll und frei von Schuld gelebte Jahre bestürmten ihn anklagend. »Ich kann doch einen waffenlosen, schlafenden Ritter nicht töten«, sagte er sich. »Das wäre eine Schandtat, ärger als sein Verrat an meiner Ritterehre und am ganzen Rittertum.« Er machte wieder kehrt, um zum Kloster zurückzureiten. Und indes er dahinritt, schrie der Grimm in seiner Brust empört auf, und Pelleas rief: »Verfluchtes Rittertum! Verfluchte Ehre! Haben sie ehrenvoll gehandelt? Ich werde sie beide umbringen, diese verderbten Geschöpfe, und die Welt von solchem Gezücht befreien!« Und er riß das Pferd herum und galoppierte auf die Burg zu. Er band sein Roß an, schlich sich im dämmernden Morgen zum Zelt, zog geräuschlos das Schwert aus der Scheide. Seine Nasenflügel bebten, und der Atem pfiff vom Druck in seiner Brust. Im Zelt stand er über das schlafende Liebespaar gebeugt. Ettarde drehte sich im Schlummer um, ihre Lippen flüsterten etwas aus einem stillen Traum, und Gawain zog sie im Schlaf wieder an sich. Sir Pelleas hatte in seinem ganzen Leben noch nie etwas Grausames oder Unrechtes getan und vermochte das Schwert nicht zu heben, obgleich er es versuchte. Stumm beugte er sich über die beiden, legte ihnen die nackte Klinge quer über den Hals, ging leise hinaus und ritt hilflos weinend zum Kloster zurück. Dort traf er seine Knappen besorgt nach ihm Ausschau haltend an, und als sie sich um ihn scharten, sagte er: »Ihr seid mir in einer treulosen Welt treu und aufrecht ergeben gewesen. Ich will euch meine Rüstung und alles andere schenken, was ich besitze. Mein Leben ist zu Ende. Ich lege mich jetzt auf mein Bett und werde mich nie mehr davon erheben. Ich werde schon bald sterben, denn mein Herz ist gebrochen. Ihr müßt mir versprechen, mir nach meinem Tod das Herz aus dem Leib zu nehmen, es in eine Silberschale mit einem Deckel zu legen und es mit euren eigenen Händen Lady Ettarde zu bringen und ihr zu sagen, daß ich sie mit meinem falschen Freund, Sir Gawain, schlafen sah.«
Die Knappen erhoben Protest, doch er hieß sie schweigen, trat an sein Bett, fiel ohnmächtig darauf nieder und lag viele Stunden gelähmt vom Schock seines Kummers da.
Als Ettarde erwachte und die Schwertklinge auf ihrem Hals spürte, fuhr sie hoch. Am Knauf erkannte sie, daß es Pelleas’ Schwert war, und Furcht und Zorn erfüllten sie. Sie rüttelte Gawain aus dem Schlaf und sagte: »Ihr habt mich also belogen. Ihr habt Pelleas nicht getötet. Hier ist sein Schwert. Er ist am Leben und war hier und hat uns nicht erschlagen. Ihr habt ihn und mich betrogen. Hätte er an Euch gehandelt, wie Ihr an ihm gehandelt habt, wärt Ihr jetzt ein toter Mann, denn einem andern würdet Ihr nicht vergeben, was Ihr selbst getan habt. Jetzt kenne ich Euch, und ich werde alle Damen vor Eurer Liebe und alle guten Ritter vor Eurer Freundschaft warnen.«
Gawain versuchte zu antworten, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Versucht Euch nicht herauszureden. Ihr würdet alles nur noch schlimmer machen.«
Sir Gawain lächelte sie düster an, wandte sich ab und ging in die Burg hinein, um seine Rüstung anzulegen. Als er sich gewappnet hatte, ritt er davon und sagte stumm zu sich: »Sie war längst nicht die Hübscheste. Und was Pelleas betrifft – das also ist mein Lohn dafür, daß ich ihn an dieser Frau gerächt habe, die ihn hatte leiden lassen. Nun ja, so geht es eben zu. Es gibt keine Dankbarkeit mehr auf der Welt. Ein Mann muß an sich selber denken. Und das werde ich fortan tun. Die Sache soll mir eine Lehre sein.«
Rastlos zog Nyneve vom See im Wald der Abenteuer umher. Sie hatte sich sehr verändert seit den Tagen, da
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