König Artus
Damen ihre Plätze auf der Tribüne einnahmen und die gegeneinander antretenden Ritter ihre Pferde fürs Tjosten vorbereiteten und mit Sorgfalt ihre Lanzen wählten, kam ein Page auf den Turnierplatz und brachte Sir Marhalt ein Päckchen. Als dieser die Hülle entfernte, entdeckte er einen blauseidenen Ärmel mit Goldstickerei und befestigte ihn an der Spitze seines Helms, so daß er beim Reiten wie ein Wimpel wehte. Und als die Ritter Aufstellung nahmen, um die jeweilige Seite zu wählen, sah das Fräulein den blauen Ärmel an Marhalts Helm wehen, was sie erfreute. Und noch größer war ihre Freude, als er seine Lanze hob und ihr damit einen Gruß entbot.
Das Turnier war lang und großartig, denn viele gute Kämpen nahmen daran teil, und die Richter und die Damen saßen vornübergebeugt auf den Tribünen, beobachteten die Feinheiten und registrierten die Punkte, denn sie waren sachkundig im Ritterkampfspiel und konnten sehr wohl großspuriges Gehabe von solidem ritterlichem Können unterscheiden. Der Tag schritt voran, und ein einziger Ritter, von ruhiger Haltung und ohne jede prahlerische Übertreibung, nahm alle Herausforderungen an und warf jedesmal den Gegner aus dem Sattel. So groß war seine Könnerschaft, daß alles, was er tat, ganz leicht, gleichsam beiläufig wirkte. Die Zuschauer markierten Punkte auf Holzstücken, und als die Trompete das Ende des Turniers verkündete, war das Urteil einmütig. Der goldene Reif wurde Marhalt gebracht, der barhäuptig vor Lady de Vawse niederkniete. Er schimmerte auf seinem kurz geschnittenen, angegrauten Haar. Dann dankte Marhalt seiner Gastgeberin, schritt zu seinem fahrenden Fräulein und bot ihr vor aller Augen den Siegespreis dar. Sie entledigte sich mit einer einzigen Handbewegung ihres Kopfputzes, beugte sich errötend nach vorne, und Marhalt legte ihr den Reif auf die Stirne, und alle Anwesenden spendeten dem mutigen Ritter und seiner anmutigen Dame Beifall.
Daran schlossen sich drei Tage mit Tafeleien, Musik und Liebe, Reden und Ruhmreden, ein paar heftige Auseinandersetzungen und sehr wenig Schlaf – alles in allem das beste Turnierfest, an das man sich allgemein erinnerte.
Am vierten Tag, als die Sonne schon ziemlich hoch stand, ritt Sir Marhalt, seine Dame hinter ihm, müde zum Burgtor hinaus und durch das grünende Land gen Süden. Die Dame trug ihre Reisekleidung, und ihr Beutel mit den häuslichen Wunderdingen hing an einem der Steigbügel.
»Es ist gut, daß wir es hinter uns haben«, bemerkte Marhalt. »Feste feiern nimmt einen mehr mit als Tjosten. Mir tun die Knochen weh.«
»Ein paar Nächte im Freien, mein Herr Ritter, Ruhe und Frieden werden helfen. Ja, ich muß auch sagen, ich bin froh. Es war schön, aber allein zu sein hat auch etwas für sich. Wir haben keine Eile. Am Ende wartet das Grab. Müssen wir uns beeilen, dorthin zu kommen? Ich werde mir damit Zeit lassen.«
»Dieser Meinung bin ich auch«, sagte Marhalt. »Wenn wir ein Stück Weges hinter uns haben, wollen wir nach einem stillen Plätzchen mit Wasser in der Nähe Ausschau halten, und ich werde Farnwedel für unser Ruhelager abschneiden und vielleicht sogar eine kleine Laube bauen, wo wir uns von den Lustbarkeiten erholen können.«
»Ich habe ein gebratenes Huhn und einen Laib gutes Weizenbrot in meinem Beutel, mein Herr Ritter.«
»Ich habe ja einen wahren Schatz auf dem Reitkissen hinter mir.«
Auf einer kleinen Lichtung neben einer Quelle mit sprudelndem, kühlem Wasser hackte er mit seinem Schwert Zweige ab und baute daraus mit geschickten Händen ein Häuschen, das er mit einer dicken Schicht aus trockenen, süß duftenden Farnwedeln auspolsterte. Nicht weit davon entfernt fügte er aus passenden Steinen einen provisorischen Herd für einen kleinen Topf zusammen, sammelte trockenes Holz auf einen Haufen und band unweit davon im Gras sein Pferd an. Sein Harnisch hing an der Eiche neben der Laube, Schild und Lanze standen daneben. Das Fräulein blieb nicht müßig. Als er sein Hemd ausgezogen hatte, wusch sie seine Leibwäsche und hängte sie zum Trocknen an einen Stachelbeerstrauch. Sie füllte ihren kleinen Topf mit Stachelbeeren, folgte mit Auge und Ohr dem Flug eines Bienenschwarms und holte aus einem hohlen Baumstamm wilden Honig zum Süßen. Sie verstreute duftende Blätter von wildem Thymian auf dem Ruhelager in der Laube, rollte ihr dichtgewebtes Tuch um eine Füllung aus wohlriechenden Kräutern zu einem üppigen, weichen Kissen zusammen und stellte ihren kleinen
Weitere Kostenlose Bücher