König Artus
mir banger. Wenn er zu seiner Unterstützung sechs Söhne braucht, ist er sich seiner und auch ihrer nicht sicher. Unser Handwerk verlangt Präzision und Können, und fehlende Fähigkeiten sind auch durch eine größere Zahl nicht wettzumachen. Schlaft, so gut Ihr könnt, meine Liebe. Wenn wir aus dieser Sache heil herauskommen, werden wir nach unserem nächsten Quartier Ausschau halten, bevor es dunkel wird.«
Sie sagte mit einem zufriedenen Seufzer: »Ein Mann, der weder seine Kräfte überschätzt, noch sein Können herabsetzt, der gefällt mir. Schlaft wohl, mein lieber Ritter.«
Am nächsten Morgen in der Frühe erschallten die Trompeten, und die Burg erwachte mit Getöse aus dem Schlaf. Sir Marhalt blickte zum Fenster hinaus und sah, wie sein Gastgeber sich zusammen mit den Söhnen auf den Kampf vorbereitete. Er registrierte, wie sie zu Pferde saßen, wie sie die Schwerter schwangen, um ihre Muskeln zu wecken und zu lockern, wie sie Ringelstechen übten. Er sah, daß dieses Pferd unsicher wurde und jener Ritter die Zügel durcheinanderbrachte, und schon nach ein paar Augenblicken pfiff er vergnügt durch die Zähne.
»Ihr seid gut aufgelegt, mein Ritter. Dreht Euch nicht um. Ich wechsle gerade meine Unterwäsche.«
»Sagt, wenn Ihr fertig seid«, antwortete er. »Ich glaube, die Sache wird gutgehen«, fuhr er fort. »Haltet mich bitte nicht für ein Großmaul, aber ich denke, was ich am meisten zu fürchten habe, ist ein schlechtes Frühstück.«
Doch dann bezähmte er sein Lächeln, und das Frühstück fand er ausgezeichnet. Er hörte zusammen mit den anderen kniend die Messe, und dann begann mit allem zeremoniellen Prunk, mit Trompetenschall und flatternden Wimpeln, stramm dastehenden Gefolgsleuten und taschentuchschwenkenden Damen auf der Mauer, der Kampf.
Der grimme Herzog und seine sechs Söhne stiegen in den Sattel und stellten sich in einer Reihe auf. Der Herzog stürmte heran, und beim Zusammenprall hob Marhalt seine eigene Lanze und fing die Wucht der herzoglichen Lanze mit dem Schild auf, und sie zerbarst in Stücke. Nach ihm attackierten seine Söhne, einer nach dem andern. Der erste ließ die Zügel fahren, worauf sein Pferd ausbrach und an der Ausfallpforte zum Stehen gebracht werden mußte. Dem zweiten erging es ähnlich. Der dritte zielte mit seiner Lanze auf die Mitte von Marhalts Schild, verfehlte sie aber. Der vierte stürmte gegen Marhalt an, doch sein Pferd stolperte, stürzte mit dem Kopf voran auf den Boden und begrub die Lanze unter sich. Der fünfte traf mit großer Wucht, aber die Lanze wurde ihm, als sie zurückprallte, aus der Hand gerissen und fetzte das Leder von seinem Sattel. Der sechste traf zwar, seine Lanze zersplitterte jedoch, und bei jeder Attacke hob Sir Marhalt höhnisch seine eigene Lanze und stieß nicht nach dem Gegner. Rasch blickte er zur Mauer hin, wo sein Fräulein stand und zuschaute, und er sah, daß sie mit ihrem Schal die Augen bedeckt hielt und daß ihre Schultern bebten.
Die sieben Männer waren zu einer zweiten Runde bereit, und nun senkte Sir Marhalt seine Lanze und warf scheinbar spielerisch einen nach dem andern aus dem Sattel. Doch nun wurde er zornig. Er ritt zu dem gestürzten Herzog hin und saß ab. »Herr Herzog«, sagte er, »Ihr habt diesen Kampf erzwungen. Jetzt ergebt Euch, oder Ihr müßt sterben.«
Zwei der weniger arg mitgenommenen Söhne kamen mit gezückten Schwertern herbei, doch der Herzog rief: »Zurück, ihr Narren! Wollt ihr, daß euer Vater getötet wird?«
Dann erhob er sich auf die Knie und hielt Sir Marhalt den Knauf seines Schwerts entgegen. Seine Söhne krochen demütig herbei und knieten neben dem Vater nieder.
»Ich gewähre Euch Gnade«, sagte Sir Marhalt. »Doch zum nächsten Pfingstfest müßt ihr alle König Artus aufsuchen und ihn um Vergebung bitten.«
Dann trat das Fräulein zu ihm, Sir Marhalt stieg in den Sattel, zog sie mühelos empor und setzte sie hinter sich. Stumm sahen die Gefolgsleute des Herzogs zu, wie die beiden zum Burgtor hinaus-, in den Wald hinein- und nach Süden davonritten.
Unterwegs sagte das Fräulein. »Bisher habe ich Euch noch nicht gegen einen richtigen Gegner kämpfen sehen.«
»Ihr habt recht«, sagte Sir Marhalt. »Dieser hochfahrende, grimme Herzog und seine sechs Söhne – wann werden die Männer lernen, daß ein Pferd und eine Rüstung noch keinen Ritter machen?«
»Ihr müßt einer der besten Ritter auf der Welt sein, weil Ihr es fertigbrachtet, die Lanze hochzuhalten und die
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