König Artus
sein stinkender Atem zu riechen war. Die Eisenstange fuhr hoch, und erst als sie herabzusausen begann, entschlüpfte der Ritter dem Hieb, sprang hinter den Riesen, und der tückische Kopf der Stange donnerte auf die Erde.
»Das hat doch keinen Sinn«, sagte Marhalt. »Du bist nichts anderes als ein großes, starkes Baby. Ich will dir nichts tun, und wenn du deiner Wege gehst, können wir Freunde sein.«
Marhalt sah, wie ein verschlagener Blick in die Augen des Riesen trat, während er sich langsam umdrehte. Der Ritter bemerkte, daß sich die Stange ein wenig hob, und an der Muskelanspannung erkannte er, daß ein rascher Seitenhieb bevorstand. Im Nu berechnete er den Bogen und wußte, wo er ihm ausweichen mußte. Die Stange vollführte eine Bewegung wie eine Sense, und Marhalt versuchte wegzuspringen, doch unter einem Fuß lockerte sich ein Stein, so daß er strauchelte. Die Stange traf seinen Schild, die Eisennägel drangen hinein und fetzten ihn aus Marhalts Hand, und um ein Haar wäre ihm auch noch der linke Arm abgerissen worden. Er rollte sich rasch beiseite und kroch auf Händen und Knien davon, und als er aufstand, spürte er einen schrecklichen Schmerz in der linken Schulter.
Taulurd sprang auf und nieder, jedesmal auf den Fersen landend, und wieherte jubelnd. »Hou!« schrie er. »Ha-ha-ha!«
»Du bist ein ungezogener Junge«, sagte Marhalt. »Ich will dir eigentlich nichts tun, aber wenn du dich wie ein bösartiges Tier aufführst, fürchte ich, muß ich dich töten, und das ist doch schade.«
Nun kam der Riese torkelnd auf ihn zugerannt, hob im Laufen seine Eisenstange und brüllte vor grimmiger Begeisterung. Marhalt warf einen raschen Blick auf den Boden, ob lose Steine zu sehen waren. Er wartete, bis der Riese noch zwei Meter von ihm entfernt war, duckte sich dann, machte nach links einen Satz hinauf zu dem baumstammdicken rechten Arm des Angreifers, und im Sprung fuhr das rasiermesserscharfe Schwert nach oben, durchschnitt die Armsehne, der Arm fiel nach unten und die Stange auf den Boden.
Taulurd blickte erstaunt auf seinen schwer verletzten Arm, an dem das Blut aus der durchtrennten Arterie schoß, und plötzlich brach der Riese in Tränen aus und weinte wie ein kleines Kind, das sich weh getan und Angst hat. Er taumelte auf den Fluß zu, watete hinein und immer weiter, bis nur noch sein Kopf über die Wasserfläche ragte. Dort stand er außer Reichweite, lallend und jammernd, und das Wasser um ihn rötete sich vom ausströmenden Blut.
Marhalt stand am Ufer. Weil das Wasser so tief war, konnte er den Riesen nicht erreichen. »Armer Teufel!« sagte er zu sich. »Ich habe ja schon oft getötet und viele Männer erschlagen, aber noch nie hat es mich so traurig gemacht wie jetzt. Es tut mir leid, Taulurd, aber vielleicht: je rascher, desto besser.«
Er hob vom Flußrand einen runden Stein auf und warf ihn auf den mächtigen Kopf. Der Riese wich aus, und der Stein landete unterhalb seines Ohres im Wasser. Marhalt warf einen zweiten und verfehlte das Ziel abermals, doch der dritte dann traf die Stirnmitte über den starrenden roten Augen. Taulurd versank rasch mit offenstehendem Mund, und im Fluß stieg ein Blasenschwall an die Oberfläche.
Marhalt blieb wartend stehen, und einen Augenblick später kam das Monster nach oben und trieb, sich drehend wie ein Baumstamm, im Fluß. Dann bemächtigte sich die Strömung des großen Kadavers und trug ihn flußabwärts dem Meer entgegen.
Jetzt kam Fergus’ Diener herangaloppiert und rief laut: »Triumph, Herr Ritter! Es war großartig!«
»Es war schrecklich!« sagte Marhalt.
»Suchen wir rasch seine Burg auf. Er hat dort Gefangene und Schätze.«
»Ja, machen wir uns auf den Weg.«
Die Burg war ein primitives Bauwerk aus aufeinandergeschichteten Steinen, anzusehen wie ein riesiger Schafstall, und hatte ein Dach aus Ästen und Soden. In dem dunklen Gemäuer lagen Ritter und Damen, Schafe und Schweine, an Händen und Füßen gefesselt, und wälzten sich in Dreck und Elend.
»Reiße das Dach herunter«, sagte Marhalt, »damit ein bißchen Licht in diesen Schweinekoben kommt.« Und als er genug sehen konnte, schnitt er mit seinem scharfen Schwert Tieren und Menschen die Fesseln durch. Sie versuchten, sich hochzurappeln, sanken aber unter Schmerzen zurück, weil ihr Blut gestockt war.
In einer Ecke lag der zusammengeraubte Hort des Riesen: Gold und Silber, Edelsteine und buntes Tuch, kostbar gearbeitete Kruzifixe und mit Rubinen und Smaragden besetzte
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