König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
Schnitt, und manchmal flackerte seine ganze Gestalt, als flöge eine Motte durch das Licht, das ihn erzeugte.
»Zwing mich doch«, sagte ich.
»Ha! Nicht schlecht.« Er grinste. Was das Aussehen betraf,
hätte er ein Bruder von Schwertmeister Shimon sein können. »Die meisten rennen los, wenn ich ›Buh‹ sage.«
»Ich habe so manchen Geist gesehen, alter Mann«, erwiderte ich.
»Das hast du bestimmt, Junge«, sagte er, und es klang ein bisschen von oben herab. Was mich erstaunte, denn immerhin war er selbst ein Geist.
»Wie lange spukst du schon an diesem Ort, und was hat es mit dieser Maschine auf sich?«, fragte ich. Es zahlt sich aus, bei Gespenstern und Geistern sofort zur Sache zu kommen. Weil sie schnell wieder verschwinden.
»Ich bin kein Geist, sondern ein Datenecho. Der Mann, von dem ich kopiert wurde, lebte noch vierzehn Jahre nach meiner Aufzeichnung …«
»Wie lange?«
»… und starb vor mehr als tausend Jahren«, sagte der Alte.
»Du bist der Geist eines Erbauers?«, fragte ich. Das erschien mir sehr außergewöhnlich. Selbst Geister überleben nicht so lange.
»Ich bin ein Algorithmus, ein Bild von Fexler Brews. Meine Reaktionen werden aus den sechs Terats an Daten extrapoliert, die im Lauf seines Lebens von ihm gewonnen wurden. Ich bin ein Echo von ihm.«
Ich verstand einige der Worte. »Daten? Meinst du Zahlen? Wie die in Qalasadis Büchern?«
»Zahlen, Buchstaben, Bücher, Bilder, insgeheim aufgezeichnete unbedachte Augenblicke, im Schlaf gemurmelte Wörter, Ausrufe beim Koitus, chemische Analysen seiner Ausscheidungen, öffentliche Auftritte, private Überlegungen, polygrafisches Beweismaterial, DNS-Proben. Daten.«
»Was kannst du für mich tun, Geist?« Sein Kauderwelsch bedeutete
mir wenig. Offenbar hatte man jenen Mann überwacht und seine Geschichte in eine Maschine geschrieben. Und diese Geschichte sprach nun zu mir, obwohl der betreffende Mann längst zu Staub zerfallen war.
Fexler Brews zuckte die Schultern. »Ich bin ein alter Mann außerhalb meiner Zeit. Und nicht einmal das. Ich bin die unvollständige Kopie eines alten Mannes außerhalb seiner Zeit.«
»Du kannst mir Geheimnisse nennen. Gib mir die Macht der Alten«, sagte ich, ohne ernsthaft zu erwarten, dass er darauf einging, denn andernfalls wäre mein Großvater bereits Kaiser gewesen. Aber ein Versuch konnte nicht schaden.
»Du würdest meine Geheimnisse nicht verstehen. Es klafft eine Lücke zwischen dem, was ich sage, und den Dingen, die du verstehen kannst. Die Menschen deiner Zeit könnten diese Lücke schließen, wenn sie damit aufhören würden, einander zu töten, und sich stattdessen ansähen, was um sie herum verstreut liegt.«
»Stell mich auf die Probe.« Sein Ton gefiel mir nicht. Letztendlich war die Gestalt vor mir nur Schattenspiel, eine Geschichte, erzählt von einer Maschine aus Zahnrädern, Federn und Magie, durchdrungen vom geheimen Feuer der Erbauer. »Welchen Zweck erfüllt das hier?« Ich stieß die Maschine mit dem Fuß an. »Wozu dient es?«
Fexler sah mich an und blinzelte. Vielleicht hatte er oft geblinzelt, und die Maschine erinnerte sich daran. »Es dient vielen Zwecken, junger Mann, einfachen, die du vielleicht verstehen könntest – das Pumpen und Reinigen von Wasser –, und anderen, die jenseits der Horizonte deines Verstehens liegen. Es ist ein Hub, Teil eines Netzwerks ohne Ende, ein Werkzeug für Beobachtung und Kommunikation, an einem sicheren Ort untergebracht.
Für mich und meinesgleichen dient es als Fenster zur kleinen Welt des Fleischlichen.«
»Klein?« Ich lächelte. Er lebte in einem Metallkasten, nicht größer als ein Sarg.
Fexler runzelte gereizt die Stirn. »Ich habe wichtigere Dinge zu tun. Geh und spiel woanders.«
»Sag mir eins«, wandte ich mich an ihn. »Meine Welt. Sie ist nicht wie die in den ältesten Büchern. Wenn sie von Magie und Geistern erzählen, so klingt es nach Märchen, dazu bestimmt, Kinder zu erschrecken. Und doch habe ich gesehen, wie die Toten aufstanden und gingen, und wie ein Junge mit seinen Gedanken allein Feuer brachte.«
Erneut bildeten sich Falten in Fexlers Stirn, und diesmal schien er zu überlegen, wie er es mir erklären sollte. »Stell dir die Realität als ein Schiff mit festem Kurs vor, mit einem Steuerrad, das von universellen Konstanten festgehalten wird.«
Ich fragte mich, ob ein guter Schluck bei solchen Vorstellungen half. Von all dem Wein ging eine große Verlockung aus.
»Unsere größte Leistung – und
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