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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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verging, bevor ein Gesicht am kleinen Fenster in der Zellentür erschien. Was ich nicht für besonders klug hielt, weil man mir ein Messer gelassen hatte; damit hätte ich bei dem Gesicht viel Unheil anrichten können, wenn ich nicht so sehr mit Nachdenken beschäftigt gewesen wäre.
    »Hallo, Lord Jost.« Ich hatte ihn nur kurz gesehen, bevor er mich der Obhut von Hauptmann Ortens für die Hauswache überlassen hatte, doch an sein eingefallenes Gesicht und den kleinen dunklen Schnurrbart konnte man sich leicht erinnern.
    »William von Ankrath«, sagte er. Er sprach die Worte langsam, als fiele es ihm schwer, ihnen zu glauben.
    Der Boden war unbequem und ziemlich kalt. Vielleicht kam ich schneller aus der Zelle, wenn ich Lord Jost das Sprechen überließ, und so schwieg ich.
    »Welches Gift hast du verwendet, William?«, fragte er.
    Ich betrachtete meine Hand in der Düsternis. Der Spinnenbiss war inzwischen violett verfärbt. »Gift?«, wiederholte ich.
    »Ich bin nicht wegen irgendwelcher Spielchen hierhergekommen, Junge. Ich lasse dich hier verfaulen und vermodern. Wenn sie sterben, bevor du zu reden bereit bist, beauftragt der Graf maurische Folterer, um ein Exempel an dir zu statuieren.«
    Das Gesicht verschwand.
    »Warte!« Ich stand rasch auf. Maurische Folterer, das klang nicht gut. Um ganz ehrlich zu sein: Es gibt kaum ein Wort, das vor »Folterer« gesetzt beruhigend klingt. »Sagt mir, was geschehen ist, und Ihr bekommt die ganze Wahrheit von mir. Das schwöre ich bei Jesus!«
    Er drehte sich um und ging langsam fort.
    Ich sprang zur Tür und blickte durchs Fenster. »Ich kann sie retten«, log ich. »Aber ich muss wissen, wer betroffen ist.«
    Lord Jost blieb stehen und wandte sich mir zu, und ich dankte dem Erfinder der Lügen. »Alle Wächter der Tagesschicht sinken ins Delirium«, sagte er. »Mehrere sind blind geworden.«
    »Und ich bin der einzige, der keine Symptome zeigt, was mich schuldig macht?«
    »Du bist ganz offensichtlich eine Art Meuchelmörder. Vermutlich hat Olidan von Ankrath dich zu uns geschickt. Wenn du uns ein Gegenmittel geben kannst, verspreche ich dir einen schnellen Tod.«
    »Ich habe kein Gegenmittel«, sagte ich. Wem konnte daran gelegen sein, die ganze Tagesschicht der Wächter umzubringen?
    »Welches Gift hast du benutzt? Du hast mir Wahrheit versprochen«, sagte Lord Jost.
    »Wenn ich wirklich ein Meuchelmörder wäre … Würdet Ihr dann von mir erwarten, mein Versprechen zu halten? Und wenn ich nicht der Meuchelmörder bin, für den Ihr mich haltet, kann ich das Versprechen gar nicht halten, oder? Ich habe nichts damit zu tun.«
    Lord Jost spuckte auf eine recht unadlige Art und Weise und ging wieder los.
    »Wartet. Es sind die Mauren, nicht wahr? Warum sollte König Olidan einige Wächter vergiften wollen? Er wird kein Heer tausend Meilen weit schicken und an Eure Tür klopfen. Die Mauren planen einen Angriff.«
    Lord Jost ging um die Ecke.
    »Ich bin nicht krank, weil ich die Mahlzeit nicht gegessen habe!«, rief ich ihm nach.
    Die Echos der Schritte verklangen.
    »Denn euer Essen schmeckt wie Scheiße, die jemand in Brand gesetzt hat!«, rief ich.
    Und ich war allein.
    Der tote Knabe kam im Dunkeln zu mir, mit ernst blickenden Augen und einem Kopf, der auf dem gebrochenen Genick rollte. Zum millionsten Mal fragte ich mich, ob ich Katherine auf dem Friedhof getötet hatte. War dies mein Kind, das nie leben würde, weil ich seine Mutter ermordet hatte? Oder war es nur eins der vielen Kinder, deren Blut an meinen Händen klebte? Gelleths Kinder. Ich hatte ein Ungeheuer zu mir genommen, damit sie für mich Wirklichkeit wurden. Kein Ungeheuer dem Aussehen nach. Ich hatte Gog und Gorgoth Ungeheuer genannt, doch die wahren Monstren waren Chella und ich, abscheulich in den Taten, nicht in der Gestalt.
    Warum sollte jemand die Wächter vergiften? Vielleicht steckten die Mauren dahinter, aber mit einem einzelnen Angriff konnten sie die Burg kaum übernehmen, und sie waren sicher nicht imstande, alle Verteidiger zu vergiften. Außerdem: Es ist nicht klug, eine solche Warnung zu geben, wenn man einen schnellen Schlag gegen abgelegene Orte und Kirchen plant.
    Eine eiserne Faust schloss sich um meinen Magen und überraschte mich. Wässrige Kotze spritzte mir aus dem Mund. Ich sank nach vorn, auf die Hände.
    »Verdammter Mist.«
    Die Dunkelheit drehte sich um mich herum, und deshalb drückte ich die Wange auf den kalten Boden. Die Narben in meinem Gesicht brannten noch immer, als ob

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