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König für einen Sommer: Roman (German Edition)

König für einen Sommer: Roman (German Edition)

Titel: König für einen Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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standen tatsächlich alle abfahrbereit draußen vorm Jenseits. Es folgten die letzten, dramatischen Abschiedsrituale verschiedener Freundinnen und die unerlässlichen Treueversprechen ihrer Angebeteten. Schreib mir, Schatz. Natürlich schreibe ich dir, Liebling. Nein, ich werde nicht mal eine andere ansehen. Bestimmt nicht. Ja, ich werde dich auch schrecklich vermissen. Nicht weinen, Schatz. Ich bin ja bald zurück.
    »Die Soldaten ziehen in den Krieg«, sagte ich zu Andi und verzog angewidert mein Gesicht.
    »Was bin ich froh solo zu sein.«
    »Du sagst es.«
    Okay, ich geb es zu. Ich war nur neidisch. Was hätte ich darum gegeben, so von Kelly verabschiedet zu werden. Oder meinetwegen auch von Anna. Oder am besten von beiden. Aber sie waren nicht da und so tat ich dieses ganze Brimborium nur als lästige Verzögerung ab. Als es dann endlich so weit war und wir losfuhren, winkten uns fünf schluchzende Strohwitwen, ein leicht schwankender Hans und ein nicht weniger angeschlagenes Ost-Ei hinterher, bis Hagen die Trauergesellschaft mit dem gezielten Wurf eines Silvesterkrachers aus seinem Schiebedach zersprengte. Endlich ging es los.
    Dank einer magischen Anziehung auf ein längeres Streichholz saß ich als Erster vorne und Lulatsch machte es sich hinten gemütlich. Meine erste Amtshandlung als Beifahrer bestand darin, einen Joint zu drehen. Ich hatte das erst zwei-, dreimal gemacht und das Ergebnis war lausig, wie mir Hagens Seufzer bestätigte. Er rauchte ihn trotzdem und der süße Duft von schwarzem Afghanen durchzog das Traumschiff und verbreitete ein sanftes, wohliges Gefühl von Ferien. Ich zog dreimal an dem Joint, um nicht als Spielverderber zu gelten. Seltsamerweise wurde ich nicht wie sonst müde davon. Vielleicht war dieser Afghane schwärzer als seine Vorgänger. Oder afghaniger. Ich kenne mich mit dem Zeug nicht aus.
    Das Wichtigste, um auf einer so langen Fahrt wach und bei Laune zu bleiben, war für mich erfahrungsgemäß die Musik. Ich durchsuchte Hagens Kassettensammlung im Handschuhfach und fand meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Zeig mir, wie du aussiehst, und ich sage dir, was du hörst. Deep Purple, Pink Floyd, Genesis, Led Zeppelin, Zappa bis zum Abwinken und – oh nein – Peter Maffays gesammelte Verbrechen an der Musikgeschichte.
    »Hast du noch was ... anderes?«, rang ich diplomatisch um meine Laune.
    »Nee, wieso? Is doch nur geiles Zeug. Hau doch mal die Purple Live in Japan rein. Geht tierisch ab, die Scheibe.«
    Verzweifelt kramte ich nach einer Alternative. AC/DC. Frühe AC/DC. Damit könnte ich leben.
    »Wie wär's damit?«
    »Auch okay. Hau rein und gib Stoff!«
    Merke: Beim ersten Halt unbedingt meine Tapes aus dem Kofferraum holen!
    DER ERSTE Halt kam schneller als erwartet. Wir fuhren als zweite in der Kolonne, als Andi vor uns bereits nach einer halben Stunde den Blinker setzte.
    »Was denn, jetzt schon?«, wunderte sich Lulatsch.
    »Jede Wette, dass da einer pissen muss«, sagte Hagen. »Oder sie haben nichts mehr zu saufen«, vermutete ich. Wir hatten beide Recht. Pinkeln musste jeder und das erste Sixpack hatte die halbe Stunde nicht überlebt. Aus dem Kofferraum wurde für Nachschub gesorgt. Erst mal ein Bier für jeden. Dann einen Joint. Ach, was soll's, noch einen. Diese erste Pinkelpause dauerte 45 Minuten. Wenn das so weiterging, sah ich uns in frühestens vier Tagen in Spanien ankommen. Wenn überhaupt.
    Endlich ging es weiter. Verdammt, meine Tapes! Mein Siebhirn bekam eine Pink-Floyd-Quittung für seine Leistung. Das tat weh. Wenigstens ging es jetzt voran. Die nächsten zweieinhalb Stunden wurden durchgefahren.
    Wir erreichten »Schauinsland«, die letzte Tankstelle vor der französischen Grenze, wo uns eine Schlange von Autos bis an die Auffahrt erwartete. Massen sparwütiger Urlauber gierten auf die letzte Chance, ihre Tanks, Reservekanister und Feuerzeuge mit deutschem Benzin für teures deutsches Geld zu füllen. Wir standen ihnen in nichts nach. Nachdem die übliche Urinentleerung schichtweise erledigt war, gönnten wir uns ausnahmsweise mal wieder einen Joint und ein paar Bier, während wir langsam Auto für Auto in Richtung Zapfsäule voranschlichen. Ich setzte mich zu Beckmann auf Schluckis Motorhaube.
    »Und, alles klar bei euch?«
    »Logen«, sagte er und reichte mir seinen Tabak herüber. »Schlucki wirkt zwar ziemlich angeschlagen, aber wen wundert's? Er hat im Jenseits schon Vollgas gegeben. Die nächste Schicht wird Albert übernehmen. Dem

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