König für einen Sommer: Roman (German Edition)
bitte nicht böse, aber ich muss jetzt gehen.«
So viel dazu. Genauso gut hätte sie mich ohne Fallschirm aus einem Flugzeug werfen können. Die Realität war auf mich zugerast und hatte meinem Höhenflug abrupt ein Ende bereitet. Vielleicht hätte ich die Sache mit Anna doch nicht so übertreiben sollen.
»Was? Gehen? Wieso denn jetzt schon? Bist du sauer? Weswegen? Wegen Anna? Sorry. Ich werde ihr nicht schreiben, wenn du das nicht willst. Bitte bleib doch. Es ist doch erst zwölf.«
»Nein, ich bin nicht sauer.«
Und wieder hatte sie die einzige Frage, die wichtig war, beantwortet. Ich atmete erleichtert auf.
»Ich muss nur morgen sehr früh raus und ich fühle mich heute auch nicht so besonders.«
»Aber das ist mein letzter Abend«, startete ich einen letzten, verzweifelten Versuch. »Wir sehen uns dann zwei Wochen nicht. Komm, nur noch ein halbes Stündchen, bitte! Ein Bier noch. Oder wenigstens eine Zigarette?«
»Nein, danke, David. Ich muss wirklich gehen.« Sie stand auf.
»Kommst du noch mit raus?«
Ich gab mich geschlagen.
»Klar.« Ich ging an den Tresen, um zu bezahlen und mich von Jorgos zu verabschieden.
Kellys Auto stand auf dem Parkplatz vor dem Restaurant und ich begleitete sie dorthin.
»Tja, dann bis in zwei Wochen«, sagte ich traurig. »Du wirst mir fehlen.«
»Du wirst mir auch fehlen, David!« Sie umarmte und drückte mich fest. »Und damit du mich nicht vergisst im fernen Spanien, hab ich auch noch was für dich. Warte.«
Sie kletterte in ihr Auto und fingerte etwas von der Rückbank hervor.
»Hier. Du musst mir versprechen ihn mitzunehmen und gut auf ihn aufzupassen.«
Ein Igel. Sie hatte mir einen plüschigen, kleinen Stoffigel geschenkt. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Ich umarmte sie und küsste sie auf die Wange.
»Mach's gut, David. Viel Spaß in Spanien!« Sie stieg in ihr Auto und winkte mir, bis sie außer Sichtweite war. Verfluchter Urlaub! Ich wollte nicht weg. Ich wollte noch einen Abschiedsabend wie diesen. Nur ohne wegzufahren. Dieses Abschiedskonzept sollte irgendjemand noch einmal gründlich überdenken. Es taugt nichts.
DIE BOTSCHAFTER
DER NÄCHSTE Tag bestand aus Packen und anderen Reisevorbereitungen wie dem abermaligen Rennen in den Supermarkt, weil mir ständig neue lebenswichtige Utensilien einfielen, die noch unbedingt mitgenommen werden mussten, wie Rasierklingen, Sonnencreme, Taschentücher, Duschgel. Als ob es das in Spanien nicht auch gäbe. Dies war nicht mein erster Urlaub und doch schaffte ich es wieder, meinen Koffer randvoll mit Klamotten zu stopfen, die mit 99%iger Wahrscheinlichkeit ungetragen zurückkommen würden. Socken, zehn Paar. Wer außer ein paar geschmacksverirrten Touristen brauchte Socken in einem Land, in dem es selbst nachts noch 27 Grad hatte? Ich packte sie trotzdem ein. Man kann ja nie wissen. Genauso meinen dicken Strickpulli, vier lange Hosen und dieses grässlich bunte Hemd, das ich noch nicht einmal zu Hause anzog. Außerdem hatte ich mir fest vorgenommen endlich wieder mal etwas zu lesen, also packte ich Bücher ein. Nicht zwei oder drei. Acht mussten es sein. Wenn ich nüchtern über die Zusammensetzung unserer Reisetruppe nachdachte, war das mit dem Lesen wahrscheinlich sowieso nur ein frommer Wunsch. In den letzten Wochen hatte sich daran auch noch einiges geändert, was das Lesen noch unwahrscheinlicher machte.
Der erste Ausfall war Wolf. Nicht ganz freiwillig, zugegeben. Der glückliche Umstand, in dem ich mich als alleiniger namentlicher Mieter unserer Apartments befand, gab mir die äußerst wohltuende Ermächtigung, ihn von unserem Urlaub auszuschließen. Selbstverständlich gab ich ihm sein Geld zurück, was mir nicht leicht fiel, aber die Genugtuung absolut wert war. Er tobte und schimpfte und verlangte eine ausführliche Erklärung für meine Entscheidung. Schließlich seien wir ja zum Zeitpunkt der Planung noch dicke Freunde gewesen und er könne sowieso nicht verstehen, warum ich mich wegen der Sache mit Chris noch so aufregte. Leck mich. Muss man jemandem, der einem in den Rücken gefallen ist, erklären, warum man auf dem Boden liegt? Nachdem er noch vergeblich versucht hatte die anderen gegen mich aufzuwiegeln, gab er auf und verschonte mich fortan gänzlich mit seiner Anwesenheit.
Dann kam Flos Absage, dem ich daraufhin endgültig die Freundschaft kündigte. Wenn es seine eigene Entscheidung gewesen wäre, wenn er aus eigenen Stücken nicht mitgewollt hätte, damit wäre ich
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