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König für einen Sommer: Roman (German Edition)

König für einen Sommer: Roman (German Edition)

Titel: König für einen Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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klargekommen. Sauer wäre ich trotzdem gewesen, aber bei weitem nicht so enttäuscht. Er wollte ja mit. Das sah man allein an den traurigen Blicken, die er uns im Jenseits zuwarf, wenn seine schlechtere Hälfte ihn wieder einmal in die hinterste Ecke der Kneipe bugsiert hatte, um ihn von uns fern zu halten. Sein Rückgrat war geschmolzen. Wir versuchten es mit Sticheleien und auf seine Männlichkeit abgezielten Beleidigungen wieder aufzurichten, vergebens. Dieser Mann war gebrochen. Sicher, er würde mir fehlen. Andererseits blieben mir so wahrscheinlich stundenlange sinnlose Diskussionen über seine verkorkste Beziehung erspart.
    Der dritte und letzte Ausfall war Bender, ein alter Kumpel aus Schulzeiten. Er war Banker und wurde überraschend in den Osten befördert, als Filialleiter. Karriere ist wichtiger als Urlaub, sagte er. Ob ich auch mal so enden würde?
    Ich hatte mich bereits damit abgefunden, zu siebt zu fahren und die zweihundert Mark, die jeder draufzahlen musste, hinzunehmen. Aber wenn es darum ging, Geld zu sparen, waren die Jungs unerbittlich. Jede Mark ist bares Bier. Da uns mit Wolf außerdem auch sein Auto ausfiel, schien es durchaus vernünftig, nach Ersatz zu suchen. Große Lust, meinen Urlaub mit Fremden zu verbringen, hatte ich allerdings nicht.
    Der erste Ersatzmann und das nunmehr kurioseste Mitglied unserer Truppe fand sich praktisch von ganz allein im Jenseits. Er hing schon länger dort herum, aber ich wusste nicht viel von ihm, bis mich Beckmann, der wohl ein, zwei Nächte mit ihm durchgesoffen hatte, aufklärte. Sein Name war Hagen. Das Kuriose an ihm war nicht die Tatsache, dass er mit 36 der mit Abstand Älteste von uns war, sondern sein Aussehen in Bezug auf seinen Beruf. Zerfranste, bis über die Brust hängende Haare, kunterbuntes Stirnband, zerschlissene Jesuslatschen. Hagen sah aus, als wäre er gerade von Woodstock heimgekehrt. Kein Mensch hätte vermutet, dass sich unter seiner speckigen Wildlederjacke eine geladene Pistole und in seiner abgewetzten Jeans eine Hundemarke versteckten, die ihn als ordentlichen Polizeibeamten auswies. Ich glaubte Beckmann kein Wort, bis er mir Hagens Funktion im Polizeiapparat erklärte. Hagen war Drogenfahnder. Natürlich. Was sonst? Es konnte keinen Besseren für diesen Job geben. Sein Auftreten, die Klamotten, die Haare, das war keine Verkleidung, das war er selbst. Er war so glaubhaft, dass ich ihm sofort, ohne zu zögern, zwei Kilo Heroin verkauft hätte. Ich war sehr gespannt darauf, diesen Kerl näher kennen zu lernen. Mit Sicherheit war er eine Bereicherung für unsere ohnehin schon durchgeknallte Gesellschaft.
    Den zweiten Neuling schleppte Andi an. Irgendein Kommilitone von ihm. Rudi. Er war mir wohl auf einigen Partys bereits zu Gesicht gekommen, hatte allerdings nie einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Klein, dick, Brille, Fußballfanatiker. Ich hatte ihn bisher nur über Bundesligaergebnisse reden gehört. Worüber er wohl in der Winterpause redete? Ein Mitläufer erster Güte. Sag ihm, wo es hingeht, und er fährt dich, ohne zu fragen. Als Mittel zum Zweck schien er mir akzeptabel. Hauptsache, ich musste mich nicht mit ihm beschäftigen, aber das war schließlich Andis Sache.
    Vom Dritten im Bunde wusste ich eigentlich gar nichts, außer dass er ein Kumpel von Beckmann war, Albert hieß und ein guter Trinker sein sollte, was für mich persönlich eine ebenso nichts sagende wie fragwürdige Eigenschaft bezüglich des Charakters eines Menschen war, in unseren Kreisen aber allgemein durchaus positiv bewertet wurde.
    Der Rest der Besetzung– neben Andi, Beckmann, Hans und mir– bestand aus Johnny, genannt Ost-Ei, weil er aus Dresden stammte, Bernd »Schlucki« Schluck, der sich seinem Namen sehr verpflichtet fühlte und ihm alle Ehre machte, und – nicht zu vergessen – Jan »Lulatsch« Schmidt, der trotz seiner etwas bedrohlich wirkenden Statur eines Panzerschranks einer der genügsamsten und friedliebendsten Menschen war, die ich kannte.
    Alles in allem ein ziemlich abgefahrener Haufen. So viel stand fest: Wenn Touristen tatsächlich Botschafter ihres Landes sein sollten, wären die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Spanien in allerhöchster Gefahr.
    DIE ABFAHRT war für acht Uhr abends vom Jenseits aus geplant. Wir hatten uns um sechs verabredet, um noch in Ruhe die Aufteilung der Autos und des Gepäcks zu regeln. Andi holte mich zu Hause ab und, im Jenseits angekommen, stellte ich überrascht fest, dass

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