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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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enthält viele Zitate aus diversen Quellen, um das zu beschreiben, was Sie die Landschaft des Geistes nennen. Trotzdem sagen Sie, die Landschaft sei bei jedem von uns anders. Wenn sie so unterschiedlich ist, wie können wir sie dann als Ort erkennen?«
    »Indem wir den Geist auf einer Ebene anzapfen, auf der die Inhalte und Strukturen bei uns allen ähnlich sind. Die wahrhaft privaten oberen Schichten des Geistes sind nicht direkt zugänglich, jedenfalls jetzt noch nicht. Die unteren Schichten haben unterschiedliche Eigenschaften, aber wir können sie verstehen, wenn wir sie durch unsere eigenen Tiefeninterpreter schicken. Das ist es, was die Dreifachsonde tut, unter kontrollierten Bedingungen. Ohne den Interface-Computer werden unsere Bedingungen allerdings weniger kontrolliert sein.«
    »Ich verstehe immer noch nicht, was ›Landschaft des Geistes‹ bedeutet.«
    »Sie ist eine Region, ein unaufhörlicher und kohärenter Traumzustand, der sich aus genetischen Engrammen, präverbalen Eindrücken und allen Inhalten unseres Lebens zusammensetzt. Sie ist das Alphabet und das Fundament, auf dem unser gesamtes Denken und unsere Sprache basiert, all unsere Symbologien. Jeder Gedanke, jede persönliche Handlung findet ihren Niederschlag in dieser Region. All unsere Mythen und religiösen Symbole basieren auf ihren gängigen Inhalten. Sämtliche Routinen und Subroutinen, alle Persönlichkeiten, Talente und Agenten, die ganzen mentalen Strukturen spiegeln sich in ihren Zügen und Bewohnern oder sind deren Spiegelungen.«
    »Ist es wirklich eine Landschaft?«
    »So etwas wie eine Landschaft, eine Stadt oder ein anderes Milieu.«
    »Mit Häusern und Bäumen, Menschen und auch Tieren?«
    »Gewissermaßen, ja.«
    Albigoni runzelte die Stirn. »Wie Erinnerungen an Bäume und so weiter?«
    »Nicht ganz. Es mag Analogien geben zwischen der Landschaft und der äußeren Welt, aber die äußeren Dinge, die wir sehen, durchlaufen mehrere Filter, die vom Geist je nach ihrer Brauchbarkeit als Symbole, als Bestandteile einer allumfassenden mentalen Sprache ausgewählt werden. Der größte Teil dieser Sprache wird festgelegt, bevor wir drei Jahre alt sind.«
    Albigoni nickte. Er schien zufrieden zu sein. Lascal hörte ausdruckslos zu. »Und wenn Sie Emanuels Landschaft inspizieren, können Sie uns sagen, was ihn motiviert haben könnte, meine Tochter und die anderen zu ermorden.«
    »Ich hoffe«, sagte Martin. »Nichts ist sicher.«
    »Nichts ist sicher, nur der Kummer«, sagte Albigoni.
    »Paul, zeigen Sie Dr. Burke unser Material über Emanuel.«
    »Ja, Sir.«
    Martin folgte Lascal aus dem Arbeitszimmer in ein kleines Medienstudio nebenan. »Nehmen Sie bitte Platz«, sagte Lascal und zeigte auf einen weich gepolsterten Liegestuhl, der von schwarzen Lautsprechersäulen umgeben war. Das Ganze sah wie die untere Hälfte eines Vogelkäfigs aus. Zwei kleine Projektoren auf einer schwarzen Platte direkt vor dem Liegestuhl drehten sich geräuschlos, als er sich setzte, und stellten sich auf die genaue Stellung seiner Augen ein.
    »Das meiste von dem, was Sie erläutert haben, wußte Mr. Albigoni bereits«, erklärte Lascal ihm leise, während sich die Geräte für die Vorführung justierten. »Er wollte es nur aus ihrem eigenen Mund hören. Es hilft ihm, das zu verdauen, was er gelesen und gesehen hat.«
    »Natürlich.« Martin spürte eine jähe Abneigung gegen Lascal. Glatt und professionell, hingebungsvoll und selbstlos; Albigoni hätte sich keinen unterwürfigeren Lakaien wünschen können.
    Die Emanuel-Goldsmith-Multi- mediashow begann mit einem Interview aus dem Jahr 2025, das in einem frühen LitVid-Netz ausgestrahlt worden war. Titel schwebten in simulierten Goldbuchstaben vor ihm, dem Kennzeichen von Albigonis Nachschlagebibliothek: Erster LitVid-Auftritt/nach Veröffentlichung seines zweiten Gedichtbands/›Unwissender Schnee‹ 10. Oktober 2025 LVD6 5656A. Lascal erklärte Martin die speziell angefertigten Bedienungselemente an dem Stuhl und ließ ihn allein.
    Ein junger, gutaussehender Goldsmith erschien vor ihm – makellose, glatte Mahagonihaut, dichtes, perfekt sitzendes schwarzes Haar über einer hohen Stirn, breite Nase, schmale Oberlippe mit dünnem Schnurrbart Unterlippe vorgewölbt zwischen schmollend und sinnlich, große, feuchte schwarze Augen mit sahnefarbenen Lederhäuten, langer dünner Hals und vorspringendes Kinn; fünfundzwanzig Jahre alt, fast ein Kind des Jahrhunderts; er trug einen schwarzen, hochgeschlossenen

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