Königin des Lichts: Drei Romane in einem Band (German Edition)
Störend war nur, dass sie ein solch intensives Verlangen normalerweise nur empfand, wenn ihr Zeit und Mittel zur Verfügung standen, es auszuleben.
Vor allem war sie aber nicht auf die Emotionen vorbereitet, die mit diesem Verlangen verflochten waren. Lust war ein Appetit, der einfach zu stillen war. Doch diese Sehnsucht, die in ihr flatterte wie ein wilder Vogel, der sich zu befreien suchte, war auf merkwürdige Weise stärker als die Bedürfnisse des Fleisches.
Das lenkte sie ab, und sie konnte es sich nicht leisten, sich ablenken zu lassen. Wenn die Bok entkamen, war diese Welt ebenso wie die ihre zum Untergang verurteilt.
»Wie bist du eigentlich Jägerin geworden?« Als sie den Kopf zu ihm wandte, spürte Harper selbst durch die Sonnenbrille, wie sich ihr Blick in den seinen bohrte.
»Das war eine Gabe, die mir bei meiner Zeugung mitgegeben wurde. Es liegt mir im Blut.«
»Aber du bist doch nicht mit dem Schwert in der Hand und einem Dolch zwischen den Zähnen geboren worden.«
»Ich wurde ausgebildet.« Die Lichter vor ihnen wechselten die Farbe. Kadra durchforschte das ihr mitgegebene Wissen, um selbst herauszufinden, wozu sie dienten. Sie hatte keine Lust, ständig Fragen zu stellen. »Im Fährtenlesen, in der Jagd, im Gebrauch der Waffen, im Kampf. Ich lernte, wie man Körper, Geist und Seele stärkt.«
»Was ist mit deinen Eltern?«
»Ich kenne meinen Vater nicht. Das ist bei allen Jägerinnen so.«
»Gibt es keine männlichen Jäger?«
»Wir sind alle Frauen und werden von Frauen geboren, erzogen, geschult und auf die Probe gestellt.«
»Was machen die Männer?«
»Sie jagen Wild, bestellen die Felder und werden Krieger, Gelehrte oder Sucher, wie du.« Sie zuckte die Achseln. »Das hängt davon ab, welche Laufbahn ihnen offen steht. Manche von ihnen töten im Kampf Dämonen, um ihr Land und ihre Familien zu schützen. Aber sie sind keine Jäger.«
»Gibt es in deiner Welt noch mehr Frauen wie dich?«
»Wir waren zehn, jetzt sind es nur noch neun. Vor vier Wochen hat Sorak eine von uns getötet. Eine Falle. Er hat das Blut einer Jägerin getrunken. Das hat ihm die Macht, die Stärke, verliehen, mir zu entkommen und bis hierher zu gelangen. Sie hieß Laris und war meine Freundin.«
»Das tut mir Leid.« Harpers Hand schloss sich um die ihre. »Dafür soll er bezahlen.«
Die schlichte, liebevolle Geste rührte sie. »Es gibt keinen Preis, der hoch genug wäre. Ich werde mich mit seinem Tod zufrieden geben müssen.« Verblüfft fuhr sie herum, als er ihre Hand an seinen Mund führte und mit den Lippen über ihre Knöchel streifte.
»Eine Sitte«, erklärte er, als er ihr entsetztes Gesicht sah. »Nur ein Ausdruck von Trost und Zuneigung, der manchmal auch verführen soll. Je nachdem.«
Der Anflug eines Lächelns spielte um ihre Mundwinkel. »In meiner Welt würdest du ausgepeitscht werden, wenn du dir einer Jägerin gegenüber solche Freiheiten herausnehmen würdest.«
»Aber jetzt sind wir in meiner Welt.«
»Und ihr habt einen anderen Himmel, einen anderen Boden,
andere Sitten. Mir gefallen viele der neuartigen Dinge hier. Dieses Getränk, das ihr Kaffee nennt, zum Beispiel, der Aufzug und die Autos. Ich weiß noch nicht recht, ob ich diese Kiste mag, die ihr Fernseher nennt, und eure Ausdrücke kommen mir merkwürdig vor, aber es ist angenehm, wenn dein Mund meine Haut berührt.«
Er parkte den Wagen und stellte den Motor ab. »Hast du zu Hause einen Mann? Einen Liebhaber?«
»Nein.«
»Das wird sich in dieser Welt ändern.« Er stieg aus, ging um die Motorhaube herum und öffnete ihr die Tür. »Wir müssen ein Stück gehen.« Er nahm erneut ihre Hand. »Bleib dicht bei mir.«
Sie überließ ihm die Führung. Das verschaffte ihr die Gelegenheit, die Eindrücke und Gerüche um sich herum aufzunehmen. Scharfe, würzige und süße Essensdüfte stiegen ihr in die Nase. Ihr Magen knurrte vor Hunger. Vielleicht schärfte die Reise durch das Tor den Appetit. Falls das auch für die Bok zutraf, hatten sie bestimmt bereits mindestens einmal gefressen.
Der Geruch von Tieren mischte sich unter den der Menschen. Großkatzen, Reptilien, Vögel und andere, die sie nicht zuordnen konnte. Dann sah sie exotische Tiere, die in Gehegen auf und ab liefen oder dösten, während Menschen vorübergingen und sie anstarrten.
Der Anblick schmerzte sie zutiefst. »Es ist nicht richtig, sie einzusperren. Sie sind nicht dafür geschaffen.«
»Vielleicht hast du Recht«, stimmte er zu. Er war seit seiner
Weitere Kostenlose Bücher