Königin für neun Tage
sich keuchend in den Kissen aufrichtete. Vor ihm lag ein Pergament, John Dudley hielt die in Tinte getauchte Feder in der Hand.
»Ich kann es nicht tun, John. Mein Vater …«
»Euer Gnaden … Edward … Ihr müsst Euch dazu durchringen«, beschwor John Dudley ihn.
Kraftlos ließ sich Edward wieder zurücksinken. Der Tod stand an seinem Bett. Wenn er die Augen schloss, konnte er sein Antlitz ganz deutlich am Fußende sehen, es grinste ihn an.
Auch seinen Vater konnte er sehen. Groß, kräftig, beide Hände einschüchternd in die Hüften gestemmt starrte er mit brennendem Blick auf seinen Sohn. »Es darf nicht alles umsonst sein, wofür ich gekämpft habe!«
Sprach der tote König Henry wirklich mit ihm aus dem Jenseits, oder bildete sich Edward das ein? In der letzten Stunde hatte er wohl ein Dutzend Mal diese Worte aus John Dudleys Mund gehört. Dabei wollte Edward doch nur, dass man ihn in Ruhe ließ, dass er endlich schlafen und dabei die quälenden Schmerzen vergessen könnte.
»Edward, die Zeit drängt!«
Edward öffnete wieder die Augen und sah direkt in den stechenden Blick von John Dudley. Im Moment wusste er nicht, was bedrückender war: die Anwesenheit von Dudley oder der Tod, der in der Nähe lauerte. Nun umgriff Dudley Edwards Oberkörper stützend mit seinem Arm und richtete ihn auf. Dann drückte er ihm die Feder in die schwache rechte Hand.
»Hier, Euer Gnaden. Ihr müsst nur an dieser Stelle unterzeichnen, dann wird Euch das ewige Himmelreich sicher sein. Oder wollt Ihr dort, wo Ihr jetzt hingeht, Eurem Vater Rede und Antwort stehen, warum Ihr seine Ziele verächtlich mit Füßen getreten habt?«
Schwach schüttelte Edward den Kopf, er hatte keine Kraft mehr zum Widerspruch. Langsam, so, als müsse er vor jedem Buchstaben überlegen, wie er denn zu schreiben wäre, zeichnete er seinen Namen auf das Dokument:
Edward Rex
.
Dann glitt die Feder aus seinen Händen, und sein Kopf fiel zur Seite. Ruhig legte John Dudley seine Hand auf den Brustkorb des Jungen, der im Kindesalter zum König gemacht worden war. Er hob und senkte sich nicht mehr. Rasch rollte Dudley das Schriftstück zusammen, warf einen letzten Blick auf den toten König und eilte hinaus.
Von erwartungsvollen, aber auch ängstlichen Gesichtern wurde er empfangen.
»Hat er unterschrieben?«
Dudley nickte und klopfte kurz auf das Dokument. »Es läuft alles nach Plan. Robert!«
Auf sein Rufen hin trat sein Sohn aus einer Ecke hervor. »Vater?«
»Du weißt, was du zu tun hast. Reite sofort nach Norden. Lady Mary darf keinen Fuß nach London setzen.«
Robert Dudley verbeugte sich. »Ja, Vater. Ich habe alles vorbereitet.«
John Dudley wandte sich an die Herzöge von Pembroke und Shrewsbury. »Nun, meine Herren, es hat begonnen. England hat eine neue Königin!«
12. KAPITEL
Freitag, 7. Juli 1553, Priorei von Bringham
Jane hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan, zu sehr hatte sie Guildfords Betrug enttäuscht. Selbst Antonia vermochte sie nicht zu trösten, wenngleich auch sie sagte, dass Männer wohl nicht gegen ihre Bedürfnisse ankamen. Tief im Innern spürte Jane jedoch, dass die Sache im Wald keine einmalige Angelegenheit war, dass Guildford immer und immer wieder die Gesellschaft von anderen Frauen suchen würde.
Der Morgen graute, als Hufgeklapper Jane aufhorchen ließ. Es hörte sich an, als sei ein ganzer Trupp in den Hof geritten. Etwas musste geschehen sein, dass sich so früh am Morgen Besuch in Bringham einfand.
Auch Antonia hatte die Ankömmlinge bemerkt. Obwohl sie bis weit nach Mitternacht bei Jane gewesen und dementsprechend müde war, war sie mit einem Schlag hellwach. Sie kleidete sich rasch an und eilte in die Halle hinunter. Verschlafene Diener hatten den Männern bereits das Tor geöffnet. Erstaunt erkannte Antonia unter den morgendlichen Besuchern den Herzog von Pembroke, ihren Vater Lord Fenton und auch Norman Powderham.
»Wo ist sie?«, herrschte der Herzog einen Diener an.
»In ihrem Zimmer, Mylord. Mylady Dudley wird wohl noch schlafen. Es ist sehr früh am Morgen …«
Der Herzog schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab und griff gierig nach dem kühlen Bier, welches der Diener ihm darbot. Nach dem langen Ritt war er sehr durstig. Sie hatten ihre Pferde nicht geschont und waren die ganze Nacht ohne Pause dahin geprescht.
Zögernd trat Antonia zu Norman Powderham, der sich im Hintergrund hielt, gleichfalls nach einem Bierkrug griff und einen langen Schluck nahm.
»Sir Norman, was hat das zu bedeuten?«,
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