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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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ihr Zimmer in Bringham war, zehn oder mehr Menschen. Frauen, die vorzeitig gealtert und verbraucht waren, brachten ein Kind nach dem anderen zur Welt und wussten dann nicht, wie sie die vielen hungrigen Mäuler stopfen sollten. In einer solchen Umgebung starben die meisten Säuglinge, bevor sie ein Jahr alt waren.
Bei einem ihrer Besuche wurde Jane von einer Frau, die mit ihrem Mann und vier Kindern in einer kleinen, aber sauberen Kate lebte, angesprochen: »Mein Bruder hat mir berichtet, wie er Euch im Wald getroffen hat, Mylady.«
»Ach, dein Bruder war das? Wo ist er? Ich würde ihm gerne auch helfen.«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Das kann ich Euch nicht sagen. Er ist ein Ausgestoßener, Ihr habt das Brandzeichen auf seiner Brust gesehen. Er meinte jedoch, Ihr wäret zwar eine Ketzerin, aber dennoch eine gute Frau.«
»Wie kann er es wagen!«, begann Antonia wütend, aber Jane legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm und gebot ihr zu schweigen.
»Dein Bruder mag noch dem papistischen Glauben anhängen, aber auch für ihn wird die Zeit kommen zu erkennen, wo der wahre Weg zu Gott liegt. Jede Religion verpflichtet die Menschen zur Mildtätigkeit und Nächstenliebe. Wenn ich nach London zurückkehre, werde ich mit dem König reden. Ich bin sicher, er ist über die Umstände, unter denen ihr hier leben müsst, nicht ausreichend informiert, doch er wird wissen, wie euch zu helfen ist.«
Die Frau schien ihren Worten keinen Glauben zu schenken, denn ihre Mundwinkel senkten sich verächtlich. Dennoch beugte sie das Haupt und sagte: »Möge Gott Euch beschützen, Mylady. Egal, wie wir zu Gott beten, Ihr seid gütig und gerecht. Ich wünsche, dass Ihr Euren Idealen stets treu bleiben werdet. Allerdings zweifle ich daran, dass eine junge Dame wie Ihr etwas gegen die hohen Herren in London ausrichten kann.«
    Noch am selben Tag durchforstete Jane ihre Kleiderkammer. Zur Hochzeit hatte sie eine Vielzahl von Gewändern erhalten, die sie für protzig hielt und deswegen nie trug. Jane sortierte die Kleider, die sie nicht mochte, aus, und Antonia entfernte die kostbaren Steine und kunstvoll geklöppelten Spitzenbesätze.
»Ich wünsche, dass die Kleider an die Frauen verteilt werden. Sie können sie bestimmt auf ihre Größe und Bedürfnisse ändern.«
Ärgerlich ließ Guildford sie gewähren. In seinen Augen war es eine ungeheuerliche Verschwendung, was seine Frau da trieb. Wenigstens ging sie nicht so weit, dem verlumpten Pack die Kleider mit den Edelsteinen zu schenken! Man wusste ja, wohin das führte, wenn man den minderbemittelten Leuten allzu viel Reichtümer überließ. Sie kauften sich dafür nur Wein und Bier, betranken sich sinnlos und führten ein ausschweifendes, zügelloses Leben. Nein, Gott hatte die Armen geschaffen und auf ihren Platz gestellt, wo sie Guildfords Meinung nach auch zu bleiben hatten.
    Der Juli begann mit heißem und trockenem Sommerwetter. Jane war froh, hier draußen auf dem Land zu sein, wo sich das gefürchtete Schweißfieber kaum ausbreitete. An solch heißen Tagen brach es in den engen, schmutzigen Städten epidemieartig aus und raffte binnen Tagen viele Menschen dahin. Als Jane am Morgen des sechsten Juli mit Kopfschmerzen erwachte, durchfuhr sie ein eisiger Schreck: Hoffentlich würde sie nicht krank werden!
Antonia, die kurz darauf erschien, gelang es jedoch, sie zu beruhigen. »Deine Stirn ist nicht heiß, und du klagst nicht über Halsschmerzen. Ich denke, du musst dich nur ein wenig mehr schonen und nicht mehr so oft zu den Leuten gehen.«
Den Verdacht, Jane könnte schwanger sein, behielt Antonia für sich. Sie wollte in der Freundin keine falschen Hoffnungen wecken, denn Jane war nach wie vor davon überzeugt, niemals Mutter zu werden.
Da es ein wundervoller Tag war, beschloss Guildford auszureiten und fragte Jane, ob sie ihn begleiten wolle. Sie lehnte jedoch wegen ihrer Kopfschmerzen ab.
»Nun gut, ich werde nach Chiddingstone hinüber reiten. Ich habe von einem Züchter gehört, der dort ganz hervorragende Pferde anbietet. Die möchte ich mir anschauen.«
Nachdem Jane ein paar Stunden geruht hatte, verbrachte sie den restlichen Vormittag mit ihrer Stickerei an einem Wandbehang. Draußen schien die Sonne, die Vögel jubilierten und der zarte Geruch nach Gras und Sommer drang durch das Fenster. Plötzlich verspürte Jane keine Schmerzen mehr. Sie legte die Handarbeit beiseite, stand auf und suchte im Haus nach Antonia. Ein Diener sagte ihr, die Mistress übe sich im Fechtkampf,

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