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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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flüsterte sie.
»Antonia!« Bildete sie es sich ein, oder leuchteten seine Augen tatsächlich auf? »Ich wollte dir unbedingt sagen, dass du unser … kleines Intermezzo nicht überbewerten sollst.«
Antonia fuhr sich verwirrt über die Augen und schüttelte den Kopf. »Ihr seid gewiss nicht den weiten Weg gekommen, um mir das zu sagen. Aber seid beruhigt, die Situation war für mich genauso unangenehm wie für Euch.« Antonia ging die Lüge leicht über die Lippen, denn sie spürte, dass dieser Tag eine entscheidende Wendung in ihrem Leben bringen sollte. »Warum begleitet Ihr meinen Vater und den Herzog von Pembroke und all die anderen hohen Herren? In London ist etwas geschehen, nicht wahr?«
Norman Powderham schloss sie spontan und heftig in die Arme. »Du bist doch Janes Freundin, nicht wahr?« Antonia nickte, ohne sich aus seinen Armen zu lösen. »Dann geh zu ihr. Sie wird dich jetzt brauchen!«
    Jane gelang es gerade noch, den Morgenmantel zu gürten, als ihre Tür geöffnet wurde.
»Was hat das zu bedeuten?«, fuhr sie auf, verstummte jedoch, als sie den Herzog von Pembroke erkannte. Dahinter scharten sich andere Männer, allesamt aus den besten Familien und mit besten Verbindungen zum Hof, um den Herzog.
»Euer Gnaden!« Der Herzog beugte das Knie und senkte den Kopf. Die anderen taten es ihm gleich. Verständnislos starrte Jane auf die Szene.
»Mylord Pembroke, könnt Ihr mir erklären, was dieser Überfall in meinem Schlafgemach zu solch früher Stunde zu bedeuten hat?«
»Mylady Jane, mit größtem Bedauern muss ich Euch vom Tod König Edwards VI. in Kenntnis setzen, den Gott gestern am späten Nachmittag zu sich gerufen hat.«
Halt suchend griff Jane nach dem Bettpfosten. Edward war tot! Edward, der Spielkamerad ihrer Kindheit, Edward, den sie lange geglaubt hatte zu lieben, Edward, der erste Mann, der sie geküsst hatte …
Obwohl Jane gewusst hatte, dass dieser Tag kommen würde, nahm ihr die Erkenntnis, einen wichtigen Teil ihres Lebens verloren zu haben, den Atem. Aber sie würde nicht vor dem halben Kronrat in Tränen ausbrechen, sondern später trauern, wenn sie wieder allein war. Jahrelang daran gewöhnt, ihre wahren Gefühle zu verbergen, sagte sie kühl: »Das ist bedauerlich, Mylord. Aber war es deswegen erforderlich, mich persönlich zu so früher Stunde aufzusuchen?«
Beinahe lautlos huschte Guildford ins Zimmer und trat hinter sie. Als Jane seine Hand auf ihrer Schulter spürte, war ihr erster Impuls, diese wie ein lästiges Insekt abzuschütteln, aber ihre internen Eheprobleme waren in diesem Moment zweitrangig und es gehörte sich nicht, sie vor den Augen und Ohren der höchsten Staatsmänner auszutragen.
»Euer Gnaden, Ihr müsst jetzt mit uns nach London kommen«, sagte der Herzog unterwürfig.
»Natürlich komme ich zu des Königs Beerdigung, aber muss das unbedingt sofort sein? Überhaupt, warum kniet Ihr alle? Warum erhebt Ihr Euch nicht?«
Erst jetzt fiel Jane auch die Anrede »Euer Gnaden« auf. Zeitgleich mit den Worten des Herzogs dämmerte Jane die unfassbare Gewissheit: »König Edward hat Euch, Lady Jane, zu seiner Nachfolgerin bestimmt. Er hat das Testament unterschrieben und gesiegelt, es ist bereits vom Kronrat geprüft und akzeptiert worden. König Edward ist tot – lang lebe Königin Jane!«
»Nein! Das kann nicht sein! Der Thron gehört Lady Mary! So hat es König Henry bestimmt!«, schrie Jane ungläubig.
»Euer Gnaden, durch das Testament von Edward ist das seines Vaters außer Kraft gesetzt. Ihr seid nun die rechtmäßige Königin von England, Frankreich und Irland.«
Der Raum begann sich um Jane zu drehen, der Boden unter ihren Füßen zu schwanken. Guildfords Finger krallten sich so fest in ihre Schulter, dass es schmerzte. Plötzlich gaben ihre Knie nach, und Jane sank zu Boden. Sofort war Antonia an ihrer Seite, während Guildford an ihrer anderen Seite zerrte.
»Lasst uns allein!«, befahl Guildford mit seltsam ruhiger und kalter Stimme. Die Herren zogen sich rückwärts dienernd aus dem Raum zurück. »Du auch!«, herrschte er Antonia an, welche zögernd auf Jane sah. Deren schmale Schultern bebten, ein leises Schluchzen drang durch ihre vor das Gesicht geschlagenen Hände.
»Jane …« Antonia versuchte, ihr über das offene Haar zu streichen, wurde aber sofort von Guildford zurückgestoßen.
»Hast du nicht gehört? Du sollst verschwinden! Du musst der Königin gehorchen und ebenso ihrem Mann!«
Verwirrt ging Antonia zur Tür, wohl wissend, dass Jane sie

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