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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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mehr plagte: Er durfte sich nicht feige auf dem Land verstecken, ohne zu wissen, was aus Lord Fenton geworden war, der zu ihm fast wie ein Vater gewesen war. Und dann gab es ja auch noch Antonia … Einst hatte Thomas Fenton ihm seinen Sohn anvertraut, der sich schließlich als Mädchen entpuppte. Dennoch verspürte Norman ein Verantwortungsgefühl Antonia gegenüber. So war er nach London geritten und hatte von den drohenden Hinrichtungen gehört und dementsprechend gehandelt. Schließlich konnte er sie nicht einfach sterben lassen. Oder? Was, wenn ihn jemand erkannt hatte? Nun konnte er weder nach Hause noch Antonia in das Haus der Freunde bringen. Antonia wurde im ganzen Land als Verräterin gesucht, er würde die Freunde in große Gefahr bringen. Zudem wusste er, dass die Tochter auf seine Rückkehr wartete, und die junge Frau konnte einem Vergleich mit Antonia nicht standhalten. Einzig Schottland bot Zuflucht, denn sicher ließ die Königin auch die Häfen überwachen, so dass eine Flucht aufs Festland ausgeschlossen war.
Vor ihm lagen viele Hunderte von Meilen in die Freiheit, und er selbst hatte sich mit einem Klotz am Bein belastet: Antonia!

14. KAPITEL
    Sie fanden die Pferde an der beschriebenen Stelle, zwei gesunde und kräftige Tiere, beide mit Decken, Proviant und zu Antonias Freude auch mit Waffen beladen. Norman zeigte ihr ein kurzes, handliches Schwert, und Antonia ließ prüfend den Daumen über die Schneide gleiten.
»Es ist messerscharf.«
»Obwohl ich es nicht gutheiße, dass eine Frau Waffen führt, habe ich mich daran erinnert, wie geschickt du im Umgang damit bist. Außergewöhnliche Ereignisse erfordern außergewöhnliche Maßnahmen, darum bat ich Alice, für dich ein entsprechendes Schwert zu besorgen. Sie hat gute Arbeit geleistet. Möge Gott verhindern, dass es zum Einsatz kommt.«
Bei der Erwähnung von Alice presste Antonia fest die Lippen aufeinander. War sie der Frau auch dankbar, so wollte sie dennoch nicht ständig an sie und ihr Gewerbe erinnert werden.
Antonia überprüfte das Zaumzeug, zog die Sattelriemen stramm und schwang sich auf das Pferd. »Nun, wenn ich für die nächste Zeit als Euer Bruder gelten soll, Sir Norman, so wirkt es glaubhafter, wenn ich bewaffnet bin. Nur ein Dummkopf würde in einer Zeit wie dieser unbewaffnet durch das Land reisen.«
Norman lenkte sein Ross neben sie und sagte: »Du hast Recht, wir sollten bei der Geschichte, dass wir Brüder sind, bleiben. Darum musst du mich ab sofort Norman und nicht mehr
Sir
nennen. Und für mich wirst du wieder Anthony sein.«
Aus seinem gequälten Lächeln schloss Antonia, dass er sich nur ungern an die längst vergangene Zeit erinnerte, in der sie als Anthony mit ihm nach Hampton Court gereist war.
Ein Reisender, der aus London in Richtung Schottland wollte, hätte die Stadt normalerweise durch eines der nördlichen Tore verlassen. Da ihnen jedoch die Flucht nach Süden gelungen war, mussten sie jetzt in großem Bogen westlich an der Stadt vorbeiziehen. Das war ein Umweg, aber wieder nach London hinein zu reiten wäre Selbstmord gewesen, und im Osten gab es keine Brücke über die Themse. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als den gefährlichen Weg zu nehmen, der sie an Hampton Court und Richmond vorbeiführte.
Stundenlang ritten sie schweigend dahin. Der Tag war schön und die Sonne noch warm, doch es wehte ein kühler Wind, der das Reisen angenehm machte. Als sich der Nachmittag neigte, gelang es ihnen, den Fluss zu überqueren, ohne auf Soldaten zu stoßen. Die Brücke war unbewacht. Offenbar vermutete niemand, dass die beiden Flüchtenden es wagten, sich so nahe bei den königlichen Palästen aufzuhalten.
Erst nachdem sie Windsor hinter sich gelassen hatten, zügelte Norman sein Pferd. Inzwischen war es Nacht geworden, und da Neumond herrschte, konnte Antonia kaum ihre Hand vor Augen erkennen.
»Wir werden hier die Nacht verbringen«, sagte Norman und breitete seine Decke unter einer Tannengruppe aus. Dann holte er Brot und kaltes Fleisch aus den Satteltaschen und reichte Antonia ihren Anteil. Sie biss herzhaft hinein, denn seit Stunden knurrte ihr Magen. »Später, wenn wir weiter von London entfernt sind, werden wir jagen können. Jetzt wage ich es nicht, ein Feuer zu entzünden, es könnte jemand auf uns aufmerksam werden.«
»Hm …«, murmelte Antonia. Sie war so müde, dass ihr beinahe im Stehen die Augen zufielen. Hatte sie jetzt aber geglaubt, Norman würde ihr das Nachtlager bereiten, hatte sie sich

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