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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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fühlte sich in der Kammer wie eingesperrt, ihr gesunder Menschenverstand sagte ihr jedoch, dass die Pferde diesen Ruhetag dringend benötigten. Vor ihnen lag noch eine lange Reise, und es war ihnen nicht gedient, wenn sie die Rösser bis zur Erschöpfung antrieben. Norman orderte beim Wirt einen Zuber und warmes Wasser und ließ Antonia allein, damit sie sich waschen konnte. Er selbst hatte bei seinem Spaziergang einen Bach entdeckt und sich dort gewaschen.
»Ich nehme nicht an, dass du Lust verspürst, gemeinsam mit mir zu baden?«, fragte er mit ironischem Lächeln. »Jetzt weiß ich ja, was sich hinter deiner übertriebenen Schamhaftigkeit verbirgt.«
Antonias Wangen glühten vor Verlegenheit. Warum musste Norman immer wieder auf Zeiten, die längst vergangen waren, anspielen?
Sie sattelten die Pferde beim Morgengrauen, und Antonia war froh, den kleinen Weiler endlich verlassen zu können. Der Stall befand sich hinter dem Wirtsgebäude, und gerade, als sie die Tiere am Zügel auf die Straße führten, kamen von allen Seiten aufgeregte Menschen gelaufen, die wild durcheinander schrien und gestikulierten. Manche waren sogar mit Mistgabeln und Holzprügeln bewaffnet.
»Vorsicht!«, schrie Norman und drängte Antonia hinter sich. Er zweifelte keinen Moment daran, dass sie entdeckt worden waren. Dann aber sahen sie, wie die Menge ohne sie eines Blickes zu würdigen an ihnen vorbei stürmte.
»Brennen soll sie! Brennen!«, hörte Antonia eine Frau rufen.
»Jawohl! Auf den Scheiterhaufen mit ihr!«
Bei dem Wort Scheiterhaufen lief es Antonia kalt über den Rücken. Zu deutlich hatte sie noch das Bild des Holzpfahls inmitten der trockenen Strohballen vor ihren Augen. Verständnislos tauschte sie einen Blick mit Norman, der ratlos mit den Schultern zuckte. Dann kam auch der Wirt aus dem Haus gelaufen. Es war offensichtlich, dass er sich in aller Eile angekleidet hatte, das Hemd hing ihm hinten aus der Hose, und er trug zwei verschiedene Schuhe.
»Guter Mann, was ist hier los?«, fragte ihn Norman.
»Sie verbrennen Phoebe, die Hexe und Ketzerin!«
»Was ist das für eine Frau? Was hat sie getan?«
»Man hat sie erwischt, wie sie sich in der Nacht auf dem Friedhof mit dem Teufel vereinigt und eine schwarze Messe gefeiert hat. Dabei stieß sie furchtbare Verwünschungen auf unsere gute Königin und den wahren Glauben aus. Früher, als der Ketzer Edward noch auf dem Thron saß, hat sie sich öffentlich zu dieser verabscheuungswürdigen Religion bekannt. Aber jetzt lasst mich los, ich will keinen Moment verpassen!«
Langsam löste Antonia ihre Hand vom Ärmel des Wirts, und er eilte mit großen Schritten in Richtung des Dorfangers davon. Sie hatte nicht bemerkt, wie sie sich in ihrer Aufregung an den Mann gekrallt hatte.
»Das ist ja furchtbar! Norman, wir müssen dieser Frau helfen!«
Er schüttelte den Kopf. »Es ist zwecklos, was können wir beide schon gegen diesen Pöbel ausrichten? Du meine Güte, ich wusste gar nicht, dass hier überhaupt so viele Menschen leben.« Er hob die Hand und deutete die Straße hinunter, wo im Licht der aufgehenden Sonne das Glitzern von Rüstungen zu erkennen war. »Sogar Soldaten sind hier. Komm, Anthony, wir müssen so schnell wie möglich von hier verschwinden.«
Antonia hörte nicht auf ihn. Langsam ging sie die Straße hinunter, bis sie den Platz fand, auf dem Männer damit beschäftigt waren, den Scheiterhaufen zu errichten. Wie gebannt starrte sie auf die Szenerie. Sie konnte es doch nicht zulassen, dass vor ihren Augen eine hilflose Frau getötet wurde! Obwohl Antonia diese Phoebe noch nie gesehen hatte, war sie von ihrer Unschuld überzeugt.
Norman legte seine Hand auf ihre Schultern. »Komm jetzt«, zischte er ihr ins Ohr.
Antonia schüttelte den Kopf.
»Sie kommt!« Tatsächlich wurde jetzt eine sich heftig wehrende Frau mittleren Alters von zwei Männern auf den Anger gezerrt, um den die Wachen einen engen Kreis geschlossen hatten. Der Kleidung nach musste es sich bei Phoebe um eine Bauersfrau handeln. Ihr Gesicht zeigte deutliche Spuren von Misshandlungen, ein Auge war blau unterlaufen und zugeschwollen, auf ihren Lippen klebte getrocknetes Blut. Antonia stand wie angewurzelt und starrte auf die Szene. Auch Norman konnte den Blick nicht von der Frau lösen. Sie hielten die Pferde am Halfter, doch ihre Flucht schien vergessen. Ein großer, bulliger Mann der Wache trat in die Mitte und gebot der Menge zu schweigen. Antonia blinzelte. Irgendetwas an dem Mann kam ihr bekannt vor, sie

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