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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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ihnen lag, gingen sie Arm in Arm langsam weiter, und Antonia torkelte immer wieder von der einen auf die andere Seite. Sie konnten ja nicht wissen, ob der Wachmann ihnen nicht aufmerksam nachsah.
Endlich waren sie außer Sichtweite. Sofort nahm Norman seinen Arm von Antonias Schultern. Schade, dachte sie, sie hätte seine Wärme und seinen Schutz gerne länger gespürt. Dann erinnerte sie sich an Alice und stellte sich vor, was Norman alles in diesem Haus getan hatte. Sofort rückte sie einen Schritt zur Seite.
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte sie kühl.
»Freunde von Alice haben ganz in der Nähe in einem verlassenen Gehöft zwei Pferde versteckt. Sie sind mit Proviant für mehrere Tage ausgerüstet. Ich weiß nicht, wie lange wir brauchen werden, aber es ist ein weiter Weg nach Schottland.«
»Schottland?« Abrupt blieb Antonia stehen. »Das ist unmöglich! Ich muss nach Westen, nach Cornwall.«
Zornig zog Norman die Stirn kraus. »Nach Westen? Bist du verrückt? Dorthin, wo euer Haus liegt, werden sie zuerst Truppen ausschicken und dich suchen. Nein, wir reiten nach Schottland.«
Trotzig schob Antonia die Unterlippe vor. »Aber meine Mutter ist in Cornwall und meine Kinderfrau auch. Mein Vater sagte, sie wären noch am Leben. Ich muss zu ihnen! Warum habt Ihr mir eigentlich nie gesagt, dass Ihr meine Mutter nicht mehr angetroffen habt, als Ihr damals nach Fenton Castle gekommen seid, um sie zu vertreiben?«
»Das ist heute völlig egal!« Norman packte sie an den Schultern und schüttelte sie fest. »Verdammt, ich hätte dich kleines Biest bereits damals übers Knie legen und dir kräftig das Hinterteil versohlen sollen! Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Ich riskiere Kopf und Kragen, um dein Leben zu retten, und jetzt willst du den Häschern direkt in die Arme laufen?«
»Aber Sir Norman, ich kann nicht mit Euch nach Schottland kommen«, beharrte Antonia.
Norman ließ sie so ruckartig los, dass Antonia nach hinten taumelte und beinahe über einen Stein gestolpert wäre. »Dann mach, was du willst, aber auf mich kannst du nicht mehr zählen! Warum kehrst du nicht gleich in die Stadt zurück? Wenn du dich beeilst, ist die Glut im Scheiterhaufen vielleicht noch warm, so dass sie das Feuer für dich entfachen können. Ich werde jetzt die Pferde holen und schauen, dass ich von hier wegkomme. Ob mit dir oder ohne dich, ist mir egal!«
Er drehte sich um und ging schnell davon. Unschlüssig blieb Antonia stehen. Sie wusste nicht, wo die Pferde versteckt waren oder wo sie sonst ein Reittier finden sollte. Auch besaß sie keinen Penny, den Geldbeutel von Alice hatte Norman in seiner Tasche verwahrt. Da Norman keinen Blick zurückwarf, wusste Antonia, dass es ihm bitterernst war. Schnell lief sie ihm nach.
»Entschuldigt, Sir Norman, aber der Gedanke an meine Mutter und an Ellen lässt mich nicht los. Vielleicht gibt es später eine Möglichkeit, etwas über sie zu erfahren.«
Norman stieß einen knurrenden Laut aus, der weder Zustimmung noch Ablehnung ausdrückte. Seit sie das Bordell von Alice verlassen hatten, fragte er sich, welcher Teufel ihn geritten hatte, nach London zurückzukehren und Antonia zu befreien. Als ihm damals die Flucht aus dem Tower gelungen war, hatte er sich einige Wochen bei Bekannten in Essex versteckt. Ihnen war es auch gelungen herauszufinden, dass Soldaten in das Haus seiner Familie eingefallen waren und es durchsucht hatten. Als Helfershelfer von Lord Fenton stand er also auch auf der Liste der Verdächtigen. Trotzdem fühlte sich Norman in Essex relativ sicher, niemand belästigte seine Bekannten und niemand fragte nach ihm. Er hätte in aller Ruhe dort bleiben können, zumal die Freunde ihm versicherten, wie glücklich sie waren, ihn bei sich zu haben. Das lag mit daran, dass die fünfundzwanzigjährige Tochter der Familie Norman offensichtlich sehr zugetan war, ihre Familie war wohlhabend genug, der Tochter eine stattliche Mitgift zu geben, von der sie und ihr Ehemann für den Rest ihres Lebens unbesorgt würden leben können. Da Norman wusste, dass es besser war, Königin Mary nicht unter die Augen zu kommen, hatte er, trotz seiner Abneigung gegen die Ehe, mit dem Gedanken gespielt, diese Frau zu heiraten und als Landedelmann künftig in Ruhe und Frieden zu leben. Für die Vergnügungen und Zerstreuungen, die ein agiler Mann wie Norman brauchte, gab es genügend andere Möglichkeiten. Mit dieser Wende in seinem Leben hatte er sich schon fast abgefunden, als ihn sein Gewissen immer

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