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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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eingerichtet war und dessen Wände mit roten Seidenteppichen bespannt waren. Allerdings ließen die Motive der Wandbehänge Antonia vor Scham erröten.
Eine nicht mehr ganz junge, aber immer noch sehr schöne blonde Frau reichte dem Mann einen Becher Wein. »Hat es geklappt?«
Er nahm einen langen Schluck, die Frau schenkte erneut ein und reichte den Becher an Antonia weiter.
»Ich denke, wir haben sie für einige Zeit abhängen können, aber wir müssen uns beeilen.«
Der Mann griff sich an den Kopf und zog sich die Perücke herunter, dann griff er in sein Gesicht und zerrte an dem Bart, der gleich darauf ebenfalls zu Boden fiel.
»Norman!« Antonia wusste nicht, ob sie vor Freude lachen oder weinen sollte. Sie entschied sich für beides.
»Na, na, Mädchen, jetzt beruhige dich mal.« Die Frau tätschelte ihren Rücken. »Du hast Norman gehört, ihr müsst euch beeilen!«
Es war alles vorbereitet. Norman schlüpfte aus seinen Kleidern und in die bereit liegenden eines einfachen Bauern. Währenddessen half die Frau Antonia aus ihrem Kleid und hielt ihr ebenfalls Männerkleidung hin.
»Das arme Mädchen muss sich als Junge verkleiden. Glaubst du wirklich, Norman, dass das eine gute Idee ist?«, jammerte die Frau.
»Alice, dir würden die Haare zu Berge stehen, wenn ich dir alles über dieses
Mädchen
erzählen würde«, lachte Norman trotz aller Gefahren. »Sie wird ihre Rolle als Junge besser spielen, als du dir vorstellen kannst.«
Die mit Alice Angesprochene musterte Antonia kritisch. »Ein Blinder sieht, dass sie eine Frau ist«, stellte sie fest. »Norman, du willst nicht etwa sagen, dir wäre nie aufgefallen, was für eine entzückende Figur sie hat. Ich wäre froh, ein solches Mädchen in meinem Haus zu haben.«
Langsam dämmerte Antonia, welcher Art von Gewerbe Alice nachging und in was für einem Haus sie sich befand. Und Norman war mit ihr offensichtlich gut bekannt …
»Nein!« Antonia schrie auf, als Norman plötzlich mit einem Messer auf sie zukam. Hatte er sie etwa vom Scheiterhaufen gerettet, um sie in einem Bordell zu ermorden? Sie hob abwehrend beide Hände.
Norman stutzte, sah auf das Messer und verstand. »Aber Antonia, du dachtest doch nicht … Es tut mir leid, aber ich muss dir das Haar abschneiden. Das verstehst du doch, nicht wahr?«
»Es ist eine Schande um die Lockenpracht!«, jammerte Alice erneut und rang die Hände.
Willenlos ließ es Antonia geschehen, dass Strähne für Strähne ihres Haares auf den Boden fiel. Normans Plan wurde ihr allmählich klar: Er wollte sie als Junge verkleidet aus der Stadt schaffen. Nun, das war für Antonia nichts Neues. Jetzt drückte Norman ihr einen Hut mit einer breiten Krempe auf den Kopf und schob sie vor einen Spiegel. Überrascht musterte sie ihr Spiegelbild. Sie hatte völlig vergessen, wie sie als Junge ausgesehen hatte. Auch wenn sie älter und reifer geworden war – viel unterschied den jungen Mann, der ihr jetzt aus dem Spiegel entgegenblickte, nicht von dem Knaben, der einst als Knappe nach Hampton Court gekommen war.
»Es fehlt noch was!«
Ehe sich Antonia versah, leerte Alice einen Krug Wein über ihrem Kopf aus. Die Flüssigkeit rann in ihre Augen, in den Kragen und klebte auf ihrem Gesicht.
»Was soll das?«, fuhr Antonia wütend auf, aber Norman lächelte ihr beruhigend zu.
»Das gehört zu unserem Plan. Du bist ab sofort mein kleiner Bruder, den ich völlig betrunken aus einem Bordell schleppen muss. Du sprichst kein Wort, allenfalls ein unverständliches Gemurmel. Hast du verstanden?«
Antonia nickte und sagte: »Bordell stimmt ja.«
Norman wandte sich an Alice. »Ist alles vorbereitet?«
»Ja, es wurde an alles gedacht.« Sie griff in die Rocktasche und holte einen Lederbeutel hervor. »Hier, ich habe noch etwas Geld. Du wirst es brauchen können.«
»Nein, Alice, das kann ich nicht annehmen! Du hast schon genug für uns getan, behalte das Geld. Du brauchst es selbst nötiger.«
Alice kicherte verschämt. »Aber Norman, es ist doch nur ein Bruchteil von dem, was du hier gelassen hast. Du hast die Mädchen immer gut bezahlt, mehr als üblich, da ist es nur recht und billig, wenn …«
»Ich finde auch, wir sollten auf das Geld verzichten«, sagte Antonia scharf. Musste Alice ihr so deutlich vor Augen führen, dass sie sich in einem Freudenhaus befand, in dem Norman Powderham unzählige Stunden in den Armen ebenso unzähliger Mädchen verbracht hatte?
Norman war Antonias verschlossene Miene nicht entgangen. »Es ist jetzt weder der

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