Königin für neun Tage
Erben zu zeugen, wird er wohl kaum schnarchen, oder?«
Antonias Gesicht überzog sich mit Röte, während Norman ungezwungen lachte. Er legte von hinten eine Hand auf Antonias Schulter.
»Aber Onkel, natürlich nicht! Manchmal ist es sogar förderlich, wenn man nicht jede Nacht das Bett miteinander teilt. Du kannst sicher sein, dass ich meiner lieben, kleinen Frau die nötige Aufmerksamkeit zukommen lassen werde!«
Antonia wunderte sich nach einigen Wochen nicht mehr darüber, wie gut sich Norman verstellen konnte. In Gegenwart des Lairds verhielt er sich wie ein Mann, der seine Frau verehrt und anbetet. Stets schenkte er ihr zärtliche Blicke und kleine, flüchtige Berührungen, die Antonia in inneren Aufruhr versetzten. Natürlich konnte sie es nicht verhindern, dass Norman bei Tisch ihre Hand hielt und dass er sie auf die Lippen küsste, bevor sie sich zurückzog und die Männer allein ließ. Auch wenn alles nur Schauspiel war, so genoss sie doch Normans Aufmerksamkeit und seine Berührungen.
Um keinen Verdacht zu erregen, suchte Norman sie regelmäßig in ihrem Zimmer auf. Sie verbrachten die Nacht miteinander, aber nicht so, wie es sich Laurel Mercat vorstellte. Anfangs hatten sie Stunde um Stunde schweigend dagesessen und hatten abgewartet, bis die gebührliche Zeit vergangen war und Norman wieder in sein Zimmer zurückkehren konnte. Dann aber hatte er begonnen, von Schottland und Inverleithen zu erzählen. Norman ritt, wenn es das Wetter zuließ, regelmäßig mit seinem Onkel über den Besitz. Nach und nach hatte er alle Pächter mit ihren Sorgen und Nöten kennen gelernt. Er wusste, wann die beste Zeit war, um Gerste zu säen und wann sie jeweils geerntet werden musste, um sie für Brot oder für das Brennen von Whisky zu verwenden. Norman erfuhr, dass sein Onkel robuste Hochlandrinder eingeführt hatte, die mit ihrem zottigen, dichten Fell jeden Winter im Freien überstanden, und dass ihr Fleisch zu dem Besten gehörte, was Schottland zu bieten hatte. Ebenfalls kümmerte er sich um die Tausende von Schafen, die Unmengen von Futter verschlangen.
»Die Schafe fressen mir im Winter das weg, was sie mir im Sommer einbringen«, hatte der Laird lachend bemerkt.
Auch Antonia hatte eine Beschäftigung gefunden, die ihre Tage ausfüllte: Sie braute Bier! Inverleithen besaß eine kleine, eigene Brauerei, in der es mollig warm war. Der Braumeister war über Antonias Hilfe dankbar und wies sie in alle wichtigen Vorgänge ein. In einem Nebenraum der Küche fand Antonia Gefäße mit getrockneten Kräutern wie Holunder, Ingwer oder Anis. Der Braumeister schlug zwar die Hände über dem Kopf zusammen, als Antonia begann, dem Gärvorgang etwas von den Kräutern zuzusetzen, kostete dann aber anerkennend das fertige Ergebnis. Auch der Laird und Norman mussten zugeben, dass ein warmes Ingwerbier an kalten Tagen genau das Richtige war. Daraufhin probierte Antonia ständig neue Rezepturen aus, bis Inverleithen schließlich über ein Angebot von zehn verschiedenen Geschmackssorten verfügte. Das sprach sich in der Umgebung herum, und bald erschienen Nachbarn und Freunde, um das Bier, das ursprünglich nur für den eigenen Bedarf gebraut worden war, zu kaufen.
Über diese unerwartete Einnahmequelle zeigte sich Laurel Mercat mehr als erfreut. Fest schlug er Norman auf die Schulter und sagte: »Du hast zwar eine ungewöhnliche Frau, aber ich muss dir zu ihr gratulieren! Sorg dafür, dass sie dir niemals wieder abhandenkommt.«
Norman schluckte trocken und lächelte schwach. Längst schon musste er sich eingestehen, dass auch er Antonia bewunderte und ihre Nähe suchte. Wenn er sie in Gegenwart seines Onkels berührte und ihr Aufmerksamkeit schenkte, so geschah es nicht mehr allein aus dem Grund, keinen Verdacht zu erregen. Nein, er mochte es, seine Finger über ihren schlanken Nacken gleiten zu lassen, ihre Hand zu drücken und die Wärme, die sie ausstrahlte, zu spüren. Er mochte es, wenn sie lachte, dabei den Kopf zurückwarf und sich in ihren Wangen zwei Grübchen bildeten. Manchmal betrachtete er ihre schön geschwungenen Lippen und fragte sich, wie es wohl sei, diese nicht nur flüchtig zu küssen, sondern sie ausgiebig mit den seinen zu erkunden. Norman freute sich auf ihre gemeinsamen Nächte, in denen sie über die Höhen und Tiefen des schottischen Landlebens sprachen. Er mochte es, wenn Antonia ihm vorlas, selbst wenn es auf Lateinisch war, von dem er nur bruchstückhaft etwas verstand. Der Gedanke, für eine Frau
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