Königliche Republik (German Edition)
Marmor.
Mirella
hielt den Atem an, um den Schluckauf besser zu beherrschen, während
dieser Schritt näher kam. Wenn sie sich jetzt umdrehte, verlöre
sie die Fassung und das Spiel.
Aber
sie löste den Blick von der Kugel und traf Alberts ermutigendes
Lächeln.
„Eure
Position ist nicht die Beste.“ Sofort hatte Alexandre die
Spielsituation erfasst. „Nehmt die Kugel mehr von der Seite.“
Albert,
an dem ihr Blick immer noch hing, nickte kaum merklich. Da tat sie
den vorgeschlagenen Schritt.
Mühelos
rollte die Kugel durchs Tor und stieß eine andere an; diese
rollte nur zwei Fingerbreit und blieb in einer höchst passenden
Lage für das nächste Hindernis liegen.
Mirella
wandte sich halb zu Alexandre um, während sie den Platz für
den nächsten Schlag einnahm. „Euer Rat war gut.“ Sie
wagte nicht, ihn direkt anzusehen, denn sie fürchtete, sich zu
verraten. Stattdessen nahm sie die zweite Kugel ins Visier.
„Wer
gewinnt?“
„Mirella!“,
rief Stefania. „Wenn sie jetzt mal mit ihrem Schluckauf
aufhört.“
Mirella
blickte auf. Stefanias Augen glitzerten; Alberts Grinsen war noch
breiter geworden.
Alexandres
Wärme umfing sie und dann lag seine Hand einen Augenblick fest
auf ihren Fingern. „Es ist nicht schwer.“
„Wenn
Ihr wüsstet, worum wir spielen!“ Dario feixte.
Mirella
zog die Bauchmuskeln ein und spannte sich; eines Tages würde sie
Dario die Augen auskratzen. Aber Alexandre fragte nicht nach dem
Einsatz.
Sie
atmete langsam aus und wartete auf den nächsten Hickser; dann
spielte sie schnell. Vor Aufregung verschwamm nach dem Schlag das
Bild des Spieltischs vor ihr; doch das Klacken genügte, um zu
wissen, dass ihr der Schlag gelungen war. Sie hickste.
„Stefania?“
Stefania
nickte. „Wir haben keine Chance mehr, das Spiel zu wenden.“
Albert
zwinkerte Mirella zu. „Nun muss ich zuerst zu de Guise.“
Alexandres
Augen weiteten sich, aber noch immer fragte er nichts.
Albert
reichte ihm seinen Billardschläger. „Spielst du mit
unseren Freunden?“
Alexandre
nahm ihn und lächelte Stefania zu. „Gebt Ihr mir die
Ehre?“
„Ihr
werdet verlieren.“ Mirella mochte ihren Übermut nicht
länger beherrschen. Sie hatte erreicht, worum de Guise sie
gebeten hatte; wenn Dario das wüsste.
Dario
legte seinen Billardschläger auf den Tisch. „Es
tut mir leid, Monsieur le Marquis . Die Damen werden vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause
erwartet.“ Erneut tauschte er einen schnellen Blick mit
Edoardo.
Stefania
zog Mirella heftig am Ärmel, als sie den Mund zum Protest
öffnete. Darum gab sie sich zufrieden mit dem, was sie an diesem
Tag erreicht hatte. Stefania sollte nicht noch größeren
Kummer haben, weil sie mit Dario streiten musste.
Alexandre
ließ Edoardo keine Wache rufen; stattdessen begleitete er sie
selber zum Portal. Es regnete in Strömen und Fabrizio saß
nicht auf dem Kutschbock, sondern wartete abseits unter einem
Vordach. Darum öffnete Alexandre selbst den Schlag und half erst
Stefania beim Einsteigen, dann reichte er Mirella die Hand.
Regentropfen
hatten sich in seinen dunklen Wimpern verfangen und Mirella hätte
am liebsten ihre Hand ausgestreckt, um sie abzuwischen. „Gebt
auf Euch Acht, Mirella.“ Sein Blick ging zu Dario.
„Ich
danke Euch, Monsieur le Marquis .“
Über
sein Gesicht lief ein Zucken bei dieser förmlichen Anrede. Aber
wieder sagte er nichts. Stets behielt er seine Gedanken für
sich. Ganz anders als Albert oder der ewig spöttische de Modène.
Trotzdem war er ihr vertrauter erschienen als diese beiden. Sie hatte
es sich wohl nur eingebildet.
Alexandre
trat beiseite, um Dario einsteigen zu lassen. Doch der schloss die
Tür. „Ich muss nicht zum Abendessen zu Hause sein. Ich
gehe zu Fuß.“
„Es
regnet; wo willst du hin?“ Stefania klang überraschend
alarmiert; hoffentlich fiel es Alexandre nicht auf.
Er
grinste. „Ich nutze meine neue Freiheit. – Wir sehen uns
morgen, Liebste.“
Fabrizio
fuhr an und Mirella lehnte sich zurück. „Er tut nichts
Unrechtes.“
Stefania
fuhr hoch, nun völlig verschreckt. „Warum sagst du das?“
„Da
er seinen Spaziergang nicht vor Alexandre verheimlicht hat, muss er
harmlos sein.“
Stefania
sah sie durchdringend an, dann setzte sie sich neben sie und blickte
aus dem rückwärtigen Fenster nach Dario. „Er geht in
die gleiche Richtung wie wir. Da hätte er auch fahren können
statt sich einregnen zu lassen.“ Ihre Stimme war gespannter als
es die Worte hätten vermuten
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