Königliche Republik (German Edition)
anblickte, stammelte er eine
Entschuldigung.
„Verdirb
es nicht“, zischte sie im rüdesten neapolitanischen Slang.
Mirella
atmete erleichtert auf, als Stefania von den nächsten beiden
Kugeln ebenfalls eine verschoss.
Stefania
drückte ihren Arm. „Werde nicht nervös.“
Mirella
bat Edoardo um einen anderen Schläger. Edoardo sortierte sie mit
fahrigen Bewegungen und er sah aus den Augenwinkeln immer wieder zu
Dario hinüber. Der schien ihn zu ignorieren, wie man eben einen
Diener übersieht. Aber es kam ihr bemüht vor. Und Edoardos
beinahe vertrauliche Art, mit der er Dario begrüßt hatte,
passte auch nicht dazu. Das war nicht nur die Freude gewesen, ihn
frei zu sehen.
Sie
konzentrierte sich auf ihren Schlag.
„Meisterhaft!“
Stefania strahlte, als ob sie Mirella den Sieg wünschte. „Damit
hast du Darios Patzer wettgemacht.“
„Sofern
er nicht noch einen macht.“ Mirella schaute ihn böse an.
Noch so ein gezielt falscher Schlag und sie wäre sicher, dass er
Albert gewinnen lassen wollte.
Albert
hatte einen spöttischen Zug um den Mund, während er das
Spielfeld musterte. Keine der verbliebenen Kugeln war einfach;
entweder brauchte es eine zweite, um den nötigen Effet zu
erzeugen oder er müsste wieder über Bande spielen. In
seinen Augen glomm ein Licht, wie Mirella es schon früher an ihm
beobachtet hatte, wenn er sich auf den Ausgang eines besonderen
Streiches freute. Er würde diesen Schlag verhauen und niemand
könnte es ihm vorwerfen.
Albert
schien Stefanias Bestätigung zu suchen; sie nickte mit einem
dünnen Lächeln in den Mundwinkeln. Dann ging er halb in die
Knie und peilte eine Kugel an, die direkt am Rand lag und für
ihn als Linkshänder besonders schwer zu spielen war. Er bewegte
den Schläger probeweise ein paar Fingerbreit vor und zurück.
Dann richtete er sich auf. „Gebt mir einen anderen!“
Spannender
konnte er es nicht mehr machen; Mitella bekam Schluckauf vor
Aufregung. Damit konnte sie das Spiel gleich verloren geben.
Mit
zwei Schritten war Albert bei Edoardo und hielt ihm den
Billardschläger entgegen. Hastig reichte Edoardo ihm einen
anderen. Im Vorbeigehen zwinkerte Albert Mirella zu, als wolle er
sagen, was Dario kann, könne er auch.
Er
ging zur anderen Schmalseite, von der aus er leichter spielen konnte.
Eine winzige Drehung vor dem Abschlag und dann tänzelte die
Kugel ein wenig statt geradeaus über den Filz zu laufen. Doch
sie traf die Kugel an der Bande fest genug, um sie in Bewegung zu
setzen. Langsam rollte die durchs nächste Tor.
Enttäuscht
biss Mirella sich auf die Lippen und warf Dario einen wütenden
Blick zu. Er sollte nur wissen, dass sie ihm den Hals umdrehen würde,
verlören sie.
Alberts
nächster Schlag beförderte die angespielte Kugel nur bis
vor das ihr zugedachte Tor. Nun war die Partie wieder offen.
Dario
umrundete den Tisch; diese Kugel durfte er nicht verschießen;
er hätte es niemandem erklären können. Mit einem
Achselzucken ließ er sie ins Tor rollen. Aber sein Gesicht
verfinsterte sich unübersehbar.
Stefanias
reagierte mit einem trotzigen Blick darauf. Sie war bereit, den
Streit mit ihm zu riskieren, um Mirella zu unterstützen. Ihre
beste Freundin zählte ihr in diesem Augenblick mehr als ein
vorübergehend beleidigter Verlobter. Nur zwei Handbreit entfernt
lag eine andere Kugel, aber der Winkel zum Tor war ungünstig.
Stefania entschied sich trotzdem dafür. Bevor sie sie anspielte,
hob sie noch einmal den Kopf und blickte Dario an, der mit
gerunzelter Stirn und zusammengekniffenen Augen ihr gegenüberstand.
„Irgendwann muss ich es lernen.“ Sie beförderte die
Kugel neben ein Hindernis, weit weg von ihrem Ziel. „Trotzdem
immer noch unser Spiel, Albert.“
Mirella
musst die Finger zu Hilfe nehmen, um nachzurechnen. Stefania hatte
tatsächlich recht.
Sie
presste sich die Hand auf den Bauch; das Zwerchfell tat ihr
inzwischen weh von dem heftigen Schluckauf. Aber nun lag alles an
ihr. Und an Dario.
Ein
Zittern überlief sie, als sie den Billardschläger
entgegennahm. Plötzlich kam es ihr weniger darauf an, dass
Albert das Kommando übernähme als darauf, Darios Absichten
zu durchkreuzen. Es war nicht lauter, was er vorhatte. Wann hatte er
sich so verändert – erst im Kerker oder war er vorher
schon so gewesen? Was sie nur nicht hatte sehen wollen?
Sie
stützte die Hand auf, beugte sich vor und suchte den Winkel, den
sie bräuchte.
Hinter
ihr wurde die Saaltür geöffnet; Stiefelschritte klangen auf
dem
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