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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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Willkommen Thomas Mann – Lies mehr im Rundfunk. – Hol uns Schlesien zurück! – Hauen Sie ab, Marlene und Du! direkt daneben Die Ruinen klagen Dich an. Willst Du auch Bomben auf Zürich? – Ich liebe Clawdia Chauchat. Eine tolle Russin … wieder aggressiver Wie war’s in der Villa? Haben Sie Care-Pakete geschickt? – Photographen schienen diesen Hintergrund auszusparen und konzentrierten sich aufs Gästedefilee. Ein Transparent war entrollt: Atomwaffen schützen. Auf den Erstschlag kommt’s an .
    Damit hatte Klaus nicht gerechnet. Unter einem Alleebaum verharrte er. Er hatte gemutmaßt, ein Nobelpreisträger wäre sakrosankt. Doch vielleicht gab es nach Töten und Entehrungen nichts Unantastbares mehr, keine Autorität, auf welche die meisten oder die Klugen, was ein Unterschied sein mochte, hörten. Er vernahm Pfiffe, Rufe, «Willkommen», auch «Willkommen im Reich». Polizei war mit Mannschaftswagen zur Stelle, Gäste auf der Treppe blickten geniert. Auch an diesem Abend trug Ernst Bertram seine Baskenmütze. Der Dichterprofessor schlüpfte in den Malkasten. Erika erkannte ihn in dem Andrang offenbar nicht und wechselte erregt Worte mit einem Uniformierten. Hinter den Foyerscheiben stand Golo Mann allein, spähte unruhig um sich, während eine große schwarze Limousine vorfuhr, wohl direkt vom Schumannsaal kommend. Der Chauffeur öffnete die Türen. Unter giftigem Gejohle von der Straße und sogar einem mehrstimmigen «Vivat!» begab sich das Ehepaar Mann, untergehakt und beide mit Hut, ins knapp fertige Gebäude.
    «Ich verstehe», murmelte Klaus.
    «Was?»
    «Das ist alles noch schwieriger, als ich dachte. Explosiver als bei … Goethe. Brutales Jahrhundert.»
    «Fort?»
    «Vorwärts, mein Ebenholzschrein. Zur Not flüchten wir in die britische Kaserne.»
    «Wo ist die?»
    «Weiß nicht.»
    Erika Mann erkannte sie auf den Stufen und eilte beiden entgegen. «Mielein bestand darauf. Ihr könnt ihm kurz guten Abend sagen. Mehr nicht. Eine Zumutung», letzteres meinte sie offenbar anders, als zu erwarten gewesen. «Nicht zu fassen», sie blickte empört ins Demonstrantendunkel, «nach all den Opfern und Zerrüttungen trauern sie immer noch dem Diktator und dem Krieg nach. Vielleicht war Morgenthaus Plan der richtige: Das ganze Land in eine große Farm verwandeln, wo Rüben geerntet und Kühe gemolken werden und niemand mehr ein Schwert in die Hand bekommt.» Sie atmete vernehmlich. «Soll ich denn wieder mit Friedensliedern tingeln gehen! Wenn ich mich trösten soll, muß ich mir sagen: Das ist freie Meinungsäußerung. Aber können die Menschen denn keine besseren Meinungen haben als Herabsetzung und Unterdrückung?»
    Inmitten des Zulaufs kontrastierte ihre Rage mit dem eleganten Kleid, dessen weiter Schalkragen den sehnigen Hals kaum verbarg. Sie verstellte ihnen nicht den Weg, sondern meisterte die Begrüßung eines Ehepaars, das ihr zu «der ganz vortrefflichen und unvergeßlichen Lesung» gratulierte. «Sie wissen», erklärte Herr Baurichter, den man vom verwittert knorrigen Gesicht her für einen Waldarbeiter, Knecht vom Lande halten konnte, «daß der Besuch ihres Herrn Vaters auch ein wirtschaftliches Plus für die Stadt bedeutet. Wo er auftritt, können auch leichter wieder internationale Messen ins Auge gefaßt werden. Man ist wieder wer. Schon die Holländische Woche ist ein Schritt in die europäische Gemeinschaft zurück.» Erika Mann bejahte merklich verhalten. Das Paar – die Frau konnte sich in ihrem steifen Brokat nicht allzu wohl fühlen – verabschiedete sich und schien allbekannt zu sein. Es war einer der Organisatoren aus dem Schumannsaal, der Erika Mann ungefragt zuflüsterte: «Baurichter saß vorne links. Und unser Regierungspräsident ist richtig populär. Ohne Scheu hat er gegen die Demontage von Industrieanlagen und ihren Abtransport nach Großbritannien protestiert. Ein patriotischer Sozialdemokrat. Saß auch zwei Jahre lang im KZ.»
    «Was für ein Land.»
    Heuser und Batak trennten sich von der Tochter und nickten durchs Gedränge Golo Mann zu, der eindringlich an seine Sakkotasche faßte, um den Ankömmling ans Buch in dessen Mantel oder Jackett zu gemahnen. Geruch frischer Farbe, Parfums betäubten. Inmitten von Haute-Volée harrten oder spazierten intellektuellere Erscheinungen, ein junger Mann mit Fliege, jüngferliche Damen mit Bücherpacken unterm Arm, ein Blinder wurde von einer Begleiterin zur Garderobe geführt, wo es wegen der sommerlichen Temperaturen recht

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