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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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gleich !
Freundschaft und Frieden stehen hoch in Ehren ,
Denn unsre Welt ist gut und klug und reich!!!
Märchenhaft! Es wär’ doch märchenhaft!!!
Es war einmal?? Es wird einmal geschehen!!
    Märchenhaft, du hier! Verzeih das kleine Lied, es muß gesungen sein. Ist doch alles schwer genug. Wir haben es oft gesungen, die kleine Truppe, in der wir durch die Welt zogen, um die Gemüter wachzurütteln, noch in München vor der großen Nacht, in Zürich, in Prag, Amsterdam. In New York dann, als Europa untergegangen war, wollte uns dann niemand mehr zuhören, dort ist anderes in Mode, aber es wäre überall gut zu wissen:
    «Warum sind wir so kalt?
Warum, – das tut doch weh!
Warum? Wir werden bald
Wie lauter Eis und Schnee
Laß uns doch schauen, ob die Gespenster
ihren Kampf bestehen!
Bestehn? Ich glaub’ es nicht!
Die Sonne siegt zum Schluß!
Warum? Weil solches Licht
Am Ende siegen muß .
    Komm, laß dich umarmen. Gar nicht so sehr verändert. The smart boy. Du hier. Hast dich auf die Reise gemacht. Von wo? Hast du diese Stelle in Solingen angetreten? Doch du wirst hoffentlich nicht einfach in Solingen geblieben sein! Nein, nach einem deutschen Bürohengst siehst du nicht aus. Schau, schau, eine goldene Jacke, Seide. The very smart Klaus. Dabei haben wir uns bloß wenige Tage gesehen. Wir fuhren ja dann, der Bruder und ich, nach USA ab, große Reportagetour, das glänzende Geschwistergespann am Hudson, in Hollywood, ganz Deutschland verschlang unsere Artikel: Greta Garbo saß irgendwo mit zerzaustem Haar, gar nicht primadonnenhaft, und erklärte mit tiefer Stimme und schwedischem Akzent: Ich bin so fuurrschtbar müde. – Nein, Klaus, wer Nachtleben kennenlernen will, der muß hinunter nach Los Angeles, ins Mexikanerviertel. In Hollywood ist es nachts so tot wie in Tümpelhausen. – Haben wir nicht flott geschrieben, Klaus und ich? Ja, wir waren das Frische, die Munteren, die Wilden, die dennoch Kultivierten, die Wissensdurstigen, Erleben, Schreiben, das war’s, Theaterspielen, freche Chansons, später lectures , speeches , im Krieg, wohl über tausend Vorträge, im Pullman-Zug war ich zu Hause, immer unteres Bett, da schlief ich am besten, Nacht für Nacht, und dann die Reden vor den Frauenclubs, in den Rathäusern von Missouri, in der vollen Carnegie Hall!, ja, ja, mein Lieber – mal fünf Zuhörer, mal tausende, ich war es, ich armes Persönchen, die den Boykott deutscher Waren forderte, ich geißelte den sogenannten Anschluß Österreichs, ich sammelte Geld, auf daß die Geflohenen ihr amerikanisches Brot bekamen … Doch nun genug, was rede ich, du bist unterwegs nach Solingen? Scheren- und Messer-Angestellter? Ich kann es mir nicht vorstellen. Die Eltern tot? Laß dich endlich umarmen, böser Bube.»
    Vor den sprachlosen Zuhörern hallte es im Raum wider von ungeheurer Mitteilung, und auch der Duft edlen Parfums hatte sich ausgebreitet. Mit offenen Armen trat die fein ergrauende Frau auf Klaus zu, der sich aus dem Stuhl stemmte. Goldreife klimperten um ihr Handgelenk, eine Brosche am beerenfarbenen Kleid mochte beim festen Drücken seine Jackenfäden zerschneiden. Erika Mann – kein Zweifel, es war die Eri von damals, die Tochter, die furiose Schwester; hager war sie geworden, natürlich keine Bubikopffrisur der letzten Charlestonjahre mehr, sondern zurückgekämmtes Haar, feine, von Fältchen durchzogene Gesichtszüge, auch im Lachen perfekte Kontur geschminkter Lippen, Mundwinkel, die kurz traurig hingen.
    «Ach, Klaus», sie umfaßte ihn mit aller Kraft, drückte ihn fest an sich, ließ die Wange auf seine Schulter sinken und schien zu schluchzen, «Klaus, daß es ein Wiedersehen gibt! – Du warst mir nicht immer im Sinn – aber du warst doch ein Teil von uns. Augenzeuge. Bruderfreund. – Was hast du getrieben, all die Zeit, lange, lange Zeit? – Nichts ist mehr da von früher – alles verheert. Aber wir sind ja noch da. Du hast in Klein Golos Zimmer geschlafen, er war noch in Salem. Erkennst du mich denn überhaupt noch? Bin eine oide Ziefern geworden. Die Kirschen, die wir gepflückt haben, haben nichts getaugt, es waren japanische Zierkirschen, Gott sei Dank hat Klaus es rechtzeitig erkannt …»
    Die Besucherin, Erika Mann, löste sich vollends in Tränen auf. «Klaus. Bist auch ein Klaus, mein letzter Klaus. – Ich habe es nicht geschafft, ihn vom Tod, vom Sterbenwollen abzuhalten. Er versank, verschwamm in den Drogen, im Unglück, ich konnte doch nicht immer um ihn sein, im

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