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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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inständig auf die Schulter klopfen und bald Tränen aus den Augen wischen?
    «Fichtelbad macht baden Spaß», wurde Klaus aus dem doppelten Einzelzimmer vermeldet. Anwar, der eine Badetablette in der Hand hielt, käme alsbald nicht nur in Hongkong gut zurecht, sogar am Rheinknie würde er, zügiger als vermutet, Wurzeln schlagen können mit einem ersten indonesischen Badehaus oder einem sensationellen China-Imbiß. Entfernt vernahm Klaus Badewasser rauschen. Vielleicht stand in der Altstadt der Goldene Ring noch; dort mochte dem Gefährten ein leichtes Hühnerfrikassee schmecken. Im Anblick von Desserts und Süßspeisen erwies sich dessen heikler Magen meistens wieder als robust. Seltsam, daß die Badezimmertür zweimal leise klappte. Klaus warf vom Geländer einen Blick in die Unterkunft. Er erschrak, trat unwillkürlich einen Schritt beiseite, fühlte als einzigen Gegenstand, mit dem er sich zur Wehr setzen könnte, sein Feuerzeug in der Jackentasche. Ein Mann. Im Zimmer. An der Tür. Spähend. – Ein Dieb. Kein Zweifel. – Klaus beugte sich vor der Fenstertür weiter zur Seite. Das Herz pochte heftig. Die Notzeiten in Deutschland. Vor kurzem noch Lebensmittelmarken, Barackenbehausung, Verrohung durch den Krieg … da streifte Gelichter, irrten Verzweifelte auch nachmittags durch Hotelgänge. Insbesondere nachmittags. Wenn Gäste außer Haus waren oder geräuschvoll badeten. Was tun? Aus dem Freien ins Zimmer springen und brüllen? Der Hoteldieb mit Baskenmütze, falls es nicht der Hoteldetektiv war, der jemandem auf der Fährte war, starrte großäugig durchs Zimmer. Der Eindruck mochte auch von dicken Brillengläsern herrühren, die das Gespenst im hellen Zweireiher trug. Der Mensch wirkte derartig blind, daß er sich an der Wand entlangtastete. Hatte ein Kriegsversehrter sich in der Tür vertan und erkannte sein eigenes, beziehungsweise das fremde Zimmer nicht? Ein Klappergestell von einem Mann in Schlotterhose – sowohl als Dieb wie als Hausaufklärer eine eher armselige Erscheinung mit Mantel überm Arm. Als sie eben von der Wand ins Zimmer 501 spähen wollte, trat Klaus vor die Brüstungstür, baute sich so martialisch auf, wie er konnte, und hielt das Feuerzeug umgriffen. Die Kurbel der Markise war neben ihm im Kasten. Nach möglichem Krach und Handgemenge wäre Anwar schnell aus der Wanne und der Langfinger verloren. – Was war überhaupt aus dem Breidenbacher Hof geworden, daß hier zur Tea-Time nach Belieben in die Zimmer gestürmt und gesickert wurde? Das hielt kein Nervenkostüm aus. – «So», ließ Klaus Heuser sich sonor vernehmen und stemmte die Fäuste in die Hüften. Durch den Schritt auf die Balustrade wirkte er größer. «Wollen wir die Bekanntschaft der Polizei machen?»
    Die runden Gläser ihm gegenüber funkelten. Gleichwohl sackte die Gestalt an der Wand ein wenig herunter. Die Arme hingen schlaff. «Ist sie fort? Ist sie wirklich weg? … Einen Augenblick behielt ich die Tür nicht im Auge. Sie bringt mich um. Sie ist doch eine der sogenannten Gerechten. Die kennen keine Gnade. – Natürlich ist sie fort. Die geschulte Stimme war weithin zu hören. Die Kabarettkoryphäe, die hohe Tochter, die Stalinorgel der Demokratie. Und die viel erben wird. O ja, die Schwester meines Patenkinds. Hab’ es lange nicht liebkost. Meine Schuld? Weltgeschick. Die Nornen spannen und schnitten die Fäden. Paer lög lögdu, paer lif kuru alda börnum, örlög seggja. Die Munkelweiber legten die Lose, das Leben bestimmten sie, den Geschlechtern der Menschen das Schicksal verkündend. Unter kühlem Himmel im Nord wird die Wahrheit gewoben.»
    Die Gestalt wuchs an der dämmerigen Wand empor. Nach jedem Dafürhalten handelte es sich auch nicht um den Hoteldetektiv. Unter dem übergehängten Trenchcoat zeigte sich eine Ecke Aktentasche. Klaus trat über die Schwelle ins Zimmer hinunter. Die Sonne mußte seinen Hausmantel intensiv vergolden. Alles um ihn herum, in ihm, empfand er, flirrte schon fast. Beinahe wie das Leben. Schwebender Raum mit Wasserrauschen, kristallene Existenz, Gleitflug, vielleicht auch leichter Tod. Womöglich war er nie aus Shanghai aufgebrochen, sondern drehte sich schlummernd unterm Ventilator. Der Fremde stierte.
    «Am roten Ende der entstellten Welt
Durchspenstern fledermäusig Nacht und Tag
Windmühlen Tag und Nacht die hohle Luft,
Mahlend den grauen Weizen eures Tuns,
Mahlend das schwarze Mehl zum jüngsten Brot,
Mahlend, was lautlos rinnt und rinnt: das Nichts.»
    Einem

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