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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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konnte nur auf seine Beständigkeit, auf sein Schutzbedürfnis zählen, seine Anhänglichkeit. Aber für eine Weile war sie die Verratene und Betrogene. – Ich sehe durchaus, daß du seine Erzählung in Händen hast.»
    «Wie? Was ist?» fragte er unsicher.
    «Die Gottheit kam, nennen wir sie Klaus Heuser, und ließ einen großen Schutthaufen zurück. In den Gefühlen.»
    «Ach», wollte er es abtun.
    «Sei zufrieden. Du bist ihm inniger begegnet als wohl sonst irgendein Mensch. Du lebst ewig fort, denn der zarte Joseph in Ägypten, der Gebenedeite Gottes, der hat deinen Schmelz bekommen. Und Krull stammt aus dem Rheinland.»
    «Das wäre eine Ehre, für die es keinen Gebrauch gibt, Eri. Aber es rührt mich so sehr, daß …», und nach ihrem früheren Schluchzen wandte er sich jetzt kurz ab und schluckte.
    «Klaus. Was geschah? Als sich bestätigte, daß du hier bist, wachten seine Briefzeilen über dich an mich auf. Von Sylt schrieb er: An diesem erschütternden Meere habe ich tief gelebt . Als du noch in München warst, ich schon abgereist war, schien er mir bekennen zu müssen: Ich nenne ihn Du und habe ihn beim Abschied mit seiner ausdrücklichen Zustimmung an mein Herz gedrückt . Er nennt niemanden sonst du . Ich habe seine Tagebücher in die Schweiz gerettet, und ich werde sie irgendwann herausgeben müssen. Er hat unter dünnen Vorwänden deine Eltern in Düsseldorf besucht, nur um deine Atmosphäre atmen zu können, so tief hast du ihn getroffen. Und was lesen wir? Seine Schläfe an die meine gelehnt … »
    «Erika, das ist intim.»
    «Gewiß. Dennoch. Gelebt und geliebet. Augen, die Tränen vergossen für mich, Lippen, die ich küßte – es war da, auch ich hatte es –. Und du warst, bevor du auswandertest, 1936 sagtest du, noch einmal bei ihm während des ersten Zürich-Exils. Davon weiß kaum jemand. Ihr hattet fast ein Jahrzehnt lang Kontakt.»
    «Und wir schrieben uns noch, als ich in Asien war», er ging in die Offensive, «warum auch nicht? Die Postkarten sind in meinem Gepäck, das nach Hongkong geht. Es war Thomas Mann. Das war eine unendliche Liebe, die mir entgegenkam. Ich tat ihm wohl, das empfand ich. Er berührte mich zärtlicher als irgendwer damals sonst. Er erhob verbotene Gefühle zu etwas Unantastbarem. Er, ja, heiligte die Nähe. Er erzählte und erklärte mir viel, Schönes, Spannendes von den Göttern Ägyptens, vom Mönch Savonarola, dessen Bild auf seinem Schreibtisch stand, über die Freiheit des Menschen, der sich den Tyranneien nicht beugen darf. Wenn ich auch danach gern wieder in den Garten und in den Sommer davonstob. Ja, vielleicht durch ihn gewann ich, durch all das für mich Ungewöhnliche – das Sphärische –, die Kraft, hier Lebewohl zu sagen, meine kleine Laufbahn aufzugeben und den Frachter nach Belawan zu besteigen. Er half meinem kleinen Wesen auf. Und war ein freundlicher Jupiter. Sein Seufzen über seine Pflichten verstand ich. Warum sollte er seine Wange nicht an die meine schmiegen? Er tat es. Wir saßen da, lange. Ich meinte, ihm schwänden die Sinne. Es war Liebe, doch, durchaus!» sagte Klaus Heuser bestimmt: «Kurz, ganz kurz, als ich von meinen Wünschen, meiner Sehnsucht erzählte, in die Fremde zu gehen, sah er mich an, und sein Blick sagte: Ja, fort, alles wagen, unfaßlich, die Existenz umstülpen, wer bin ich, daß ich nicht frei sein kann? Immer ein Joch –. Ja, während der Frist dieses Blicks, der im Nu wieder ruhiger und trauriger wurde, ja, da könnten die Familie und das Bisherige in Gefahr gewesen sein. Aber er auf Sumatra? Auf einer Plantage? Und ich kredenze ihm den Tee? Es ist eine Geschichte unter Männern, Erika, sie geht dich nichts an. Er hat euch weiter geliebt und ernährt. Ich fand Anwar.» Er forderte die Hand des Gefährten, die dieser reichte.
    «Du wurdest sein Du.»
    «Das geschah so.»
    «Ihr dürft euch nicht wiedersehen. Nicht jetzt.»
    «Bitte?» rätselte Klaus Heuser, «ich bin selbst älter und welker geworden.»
    «Nicht jetzt», stellte sie klar, «er vergißt nichts. Schon gar nicht Gefühle. Er ist in einer Schaffenskrise. Er ist betagt und hat nicht mehr viel Zeit. Nach dem Krull weiß er nicht, ob er sich noch einem Stoff widmen kann und welchem. Vielleicht will er den Krull fortsetzen, vielleicht ein Theaterstück wagen – was ich eher für eine Verzweiflungstat halte – über Martin Luther. Er braucht die größtmögliche Schonung und Ordnung. Worüber wollt ihr plaudern? Das geht nicht unbefangen. Jede neue

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