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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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Liebesbund. Kein Blatt, kein Korsettgestänge, kein Parteienhader paßten zwischen uns. Wir waren eins in unserem Vertrauen und Mysterium.»
    «Schön, reizvoll. Und weiterhin sehr überraschend.»
    Der Mann grummelte. Erst jetzt vermerkte Klaus, daß der schmale Schlips gepunktet war und einen abgewetzten Kragen zusammenhielt. Hatte er es mit einem Lehrer im Ruhestand zu tun? In Schulkollegien fand sich manch bizarrer Charakter und verwahrloste schleichend.
    «Seinerzeit, vor dem ersten Krieg war’s, begeisterte ich mich für Stefan George, der uns den Weg aus den modernen Zumutungen – Ächzen über Bilanzen, dem materiellen Zweck jeder Handbewegung –, aus dem Terror der Anpassung ans Niedrige und Schäbige in einen Tempel zeigte, ach, doch nicht nur Tempel … Komm in den totgesagten park und schau: Der schimmer ferner lächelnder gestade, Der reinen wolken unverhofftes blau Erhellt die weiher und die bunten pfade . Der Seher, der Prophet führte uns in arkadische Weiten, zu Opferaltären für göttliche Reinheit, sein Wanderstab durch die Zeiten und die Räume wies uns zu heiligen Mooren, wo im ewigen Dunst des Leids, der Fragen ein Licht aufschimmert, in das wir schreiten können, brüderlich Hand in Hand, um in seinem Glanze abzuweisen, was uns verkleinern und verstümmeln will, denn Götter sind wir, ohne Halt, doch frei im All: Du wie ein quell geheim und schlicht .»
    «Das wirkt bombastisch gestrig. Und könnte aber auch ganz Zukünftiges meinen.»
    «Das dritte Reich, das George verkündete, bedeutete ein kosmischeres als das zerstobene.»
    «Die Götter Indonesiens.»
    «Alles, was göttlich ist, ist unser Teil. Erkennt es in Kummer und Hochgesang. Wandelt unter Sternen mehr als auf den Pfaden der Niedertracht. Das Jubelblut ist der Mensch, und er trinkt aus den Brunnen der dunklen Allmacht, von alten Wipfeln umrauscht, das Haar in Nordsturm und Glut. Die Scholle faßt er, Erde und Himmel fühlt er sich vermählt, es pocht sein Blut als einziges Gebot, Mensch und Übermensch, diamantenhart mit fragendem Herzen, ein pulsendes Gestirn auch du, dem Ewigkeit beschert sein mag, errichtet die Türme, küßt die Mimose – die Lippen sind eure Verheißung, das Schweigen auch ein Hort des unendlichen Zaubers, der Freiheit im maßlosen Geschehen.»
    Düsseldorf, dort befand er sich. Mit der soliden BOAC und Zwischenstopps in Dehli und Teheran war er pünktlich in Frankfurt gelandet. Die Eltern hatte er wiedersehen und Anwar den Kölner Dom zeigen wollen. Und nun dies.
    «Ihr Name. Haben Sie denn gar keine Erziehung?»
    «Ich will mich kurz fassen.»
    «Ja. Und dann allez-hop.» Im Vergleich zu diesem Schwerblüter, der allerdings auch einiges Bedenkenswerte fließen ließ, mutete der vorherige Besuch geradezu graziös und sonnenhell an. Wenn er auch mit einem Verbot geendet hatte.
    «Stehen Sie endlich auf!»
    «Jetzt ist’s gerade bequem. Mit siebzig Jahren geht das nicht so rasch.»
    Gegenüber beträchtlich Älteren sollte man nicht patzig werden. Klaus Heuser verzog verstimmt den Mund. Perfekt rasiert, mit duftigem Scheitel, in schwarzer Hose und Goldjacke saß er zwangsläufig da wie ein Pascha, vor dem ein zerrupfter Vogel Rock abgestürzt war. In Maßen auch ein Schicksalsgenosse.
    «Jedes Drama hat ein Vordrama.»
    «Wohl wahr.»
    «Als junger Gelehrter und Dichter, die Reihenfolge schwankt, schrieb ich einen begeisterten Zeitungsartikel über Stefan George. Der Meister war angetan. Bei Gelegenheit zog er bei uns in München die Klingelschnur. Ich war außer Haus. Mein Geliebter, Ernst, öffnete und bat den Propheten, den Künder freien Lebens, vom ersten Moment an willenlos, herein. ‹Was ich an dem Abend tat, entzog sich meiner Selbstkontrolle›, gestand Ernst mir danach, ‹ich handelte wie im Schlaf. Ich war Spielzeug in seinen Händen. Ich sollte ihm meine Gedichte vorlesen. Mein Sträuben half nichts. Ich suchte in meinem Schreibtisch, aufgeregt, kopflos. Das ergebnislose Suchen verwirrte mich gänzlich. Die Dämmerung war hereingebrochen. Georges Augen glühten, er ergriff meine Hand. Ich wußte, der Mensch tut mir Gewalt an. Ich küßte die dargebotene Hand, und mit versagender Stimme flüsterte ich: Meister, was soll ich tun? Er küßte mich auf die Stirn, hielt mich stark und ich ihn. Junge, lieber Junge, flüsterte er, von nun an wirst du zur Schar der Eingeweihten zählen.› – Sie sehen, wie harmlos dagegen mein Besuch bei Ihnen ist.»
    Klaus Heuser rückte auf seinem Stuhl gleichwohl

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