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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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Wenigstens keine Geschichte mit Thomas Mann. War er die Anlaufstelle für deutsche Dichterunfälle? George – doch auch ein ganz Großer, Phänomenaler, Leitstern der Jugendzeit, Verkünder dunkler Gebote, vor Jahrzehnten die fast heilige Zuflucht, wenn Alltag, Misere, Radau, Handelsschule, Algebra und Inflation das Dasein sauer machten … ja, mancher Vers war haftengeblieben, konnte aus Nebeln im Nu emporsteigen, wenn auch vielleicht nicht korrekt … Ihr bringt der aufgeklafften erde sühne, der gier und wahn zerwühlten die geweide … ihr macht, dass sie sich schliesse, wieder grüne, und nackter tanz beginnt auf junger heide. – Stefan George, lebte der denn noch, dichtete auf Trümmern, scharte er weiter um sich verheißungsvolle Knaben, Jünglinge, um mit ihnen den geheimen Bund wider die Zerfleischung im Banalen zu besiegeln? Seit Ewigkeiten hatte er nicht an Stefan George gedacht, an die Schauer, die einst … wo landschaft geistig wird und traum zu wesen … im Gemüt ausgelöst hatte, Empörung gegen alles, was Traum behinderte. Auch solche Verse hatten ihn zur Fremde ermutigt. Auf Sumatra hatte er Buchrücken holländischer Übersetzungen vom Jahr der Seele , vom Neuen Reich erblickt. Wie doch Bücher vorzeiten das Leben bereichert hatten. Unter der Leselampe hatten sich Welten aufgetan. Nun lief Königliche Hoheit als eiliger Film.
    «Lassen Sie mich los.»
    Die Hände glitten an seinen Unterschenkeln herab. Jetzt kniete der Irrsinnige nur noch gesenkten Hauptes. Der braune Mützenfilz war abgeschabt. «Ich hatte Ernst Glöckner 1906 beim Studium in Bonn kennengelernt.» Klaus Heuser lugte vor, sah aber das sprechende Gesicht nicht. «Es war», das Bekenntnis klang sehr scheu, sehr zögerlich, dann aber plötzlich beherzt, «Liebe auf den ersten Blick. Vor dem ersten Krieg gingen Burschen noch oft Arm in Arm, es war ja noch späte Romantik, Zeit der Herzensbünde, die Burschenschaften ermöglichten viel Manneskult, die Helden, die Wandervögel, schöpferische Träumer waren Männer, die oberste Kaste, und besaß man obendrein Bildung oder Vermögen – an letzterem haperte es bei uns –, nun, dann genoß der Mann seine Rechte, schon gar der junge, der die Zukunft des Reiches verkörperte. Mit Mädchen nachts durch die Bonner Gassen zu bummeln, kaum denkbar für die wohlerzogenen Töchter, aber wenn ich mit Ernst im Mondenschein am Rhein entlangschlenderte, wir uns untergehakt hatten, die Mütze auf dem Kopf, den Schal elegant über die Schulter geworfen, dann mochte mancher denken: Sieh an, Herzenskameraden, die beiden Ernste … Und man übte noch eine altehrwürdige Nachsicht mit den Aventüren junger Männer, die sich ins Leben finden mußten, vielleicht auch miteinander tollten wie junge Fohlen auf der Weide. Ein Teil der bewegten Kaiserzeit, als zugleich Eisenbahnen durch das Fleisch des Volkes getrieben wurden, in liebliche Täler Brückenpfeiler gerammt wurden, Fabrikhallen sich zu rußigen Regionen auswuchsen, alles krachend, grell und rasend wurde, mit Stahl, Kohle, Waffen der Biedersinn, die Frömmigkeit, die edlen Herzen, das deutsche Grün zernichtet wurden. So kam denn Widerstreit zwischen Träume und Labor.»
    «Hans Castorp», entschlüpfte es Klaus Heuser, «war wohl ein solcher, der mit müßigem Gemüt aus alter Zeit in die Chemiegase stürmte?»
    «Auch er, mein Castorp, saugte noch Lindenblütenduft, als längst die Mehrungsgier und die Stempeluhr den Menschen verknechteten. Es lag alles verquer, der deutsche Tugendmut, das Sinnen, Lieben und die Stanzmaschine, in die das Individuum gestoßen wurde, um zum surrenden Rädchen zu verkommen wie in Manchester, in Pittsburgh, in den Molochen des Westens.»
    Klaus wurde unwohler als zuvor. «Wer sind Sie denn? Ihr Castorp?»
    «Wohl wahr, auch mein Geschöpf.»
    «Stehen Sie auf. Ich rufe Herrn Starke, er ist, glaube ich, wie er heißt. Sie gehen am besten.»
    Langsam verneinte der Kopf mit der Mütze.
    «Nur Sie können mich retten.»
    «Das ist ein Irrtum. Auch das ist ein Irrtum.»
    «Sie tragen Schuhe mit Herzkappen. Das mag ein Zeichen sein.»
    Das nannte man hoffnungsvoll.
    «Ernst Glöckner war hübsch, begabt, empfindsam, wie ein Jüngling es sein soll. Wir lernten gemeinsam, lasen uns unsere Gedichte vor, wanderten durchs Siebengebirge hinauf ins Elsaß, zur Triumphkathedrale des Erwin von Steinbach in Straßburg, die Veste deutscher Kunst …»
    «Der Gotik dachte ich.»
    «… am Reicheswestsaum. Ein Bruderbund, ein

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